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Archiv-Artikel

Der Bock wird zum Metzger

Für Kontrollen sind häufig die Landräte zuständig, und die wollen den örtlichen Betrieben nicht schaden

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANNUND HANNES KOCH

Ein Gespräch mit der Fleischwirtschaft, und schon ein Konsens: Zufrieden stellte Horst Seehofer (CSU) gestern eine „vollständige Übereinstimmung“ fest. Sein „10-Punkte-Sofortprogramm“, mit dem der Verbraucherschutzminister den „schwarzen Schafen der Fleischwirtschaft das Handwerk legen“ will, sei „prinzipiell auf Zustimmung“ gestoßen. Besonders Punkt 9 hat es beiden Parteien angetan: die verbesserte „Eigenkontrolle der Wirtschaft“.

Von dieser Eigenkontrolle hält die kommunale Gewerkschaft „Komba“ gar nichts, in der die Lebensmittelkontrolleure organisiert sind. „Damit wird dem Betrug Tür und Tor geöffnet“, sagt der Sprecher. Stattdessen fordert er mehr Kontrolleure. „Eine Personalaufstockung ist dringend nötig.“ Momentan arbeiten bundesweit 2.400 Lebensmittelkontrolleure. 2004 schafften sie es im Durchschnitt gerade einmal, von 100 Betrieben 58 zu besuchen.

Auch Seehofer versprach gestern nach seinem Gespräch mit der Fleischwirtschaft, „die staatliche Kontrolle zu verbessern“. Allerdings wollte er kein zusätzliches Personal ankündigen, bevor er nicht mit den Ländern gesprochen hat. Denn sie sind zuständig – und allesamt finanzschwach.

Beispiel Baden-Württemberg: Dort hat man gerade eine „riesige Verwaltungsreform“ hinter sich, wie die Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums erläutert. „Überall wurden Stellen abgebaut, aber immerhin wurde die Lebensmittelüberwachung ausgenommen.“ Alle 222 Kontrolleure konnten ihren Job behalten.

Die Verwaltungsreform hatte jedoch noch einen anderen Effekt: Die Zuständigkeiten wurden verlagert. Waren die Lebensmittelkontrolleure früher der Polizei zugeordnet, so sind sie seit Januar bei den Landratsämtern angesiedelt. Das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium hält dies für unproblematisch: „Es sind doch die gleichen Leute, die überprüfen.“ Foodwatch-Vize Matthias Wolfschmidt widerspricht: „Die Kontrolleure unterstehen nun gewählten Landräten. Sie müssen Rücksicht auf politische Loyalitäten nehmen.“ Und die Neigung der Kommunalpolitiker dürfte nicht groß sein, den guten Ruf eines lokalen Arbeitgebers in Verruf zu bringen.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) setzt daher auf ein anderes Instrument und fordert „Informantenschutz“, damit „die Betriebe Angst haben, dass ihre eigenen Leute sie anzeigen“. Denn meist wüssten die Mitarbeiter von den krummen Geschäften ihrer Chefs – doch bisher würden sie vor einer Anzeige zurückschrecken. „Das spricht sich in der Branche herum, die finden nie wieder einen Job“, sagt die NGG-Sprecherin. Auch Seehofer hat von diesem Problem gehört; sein Forderungskatalog will „die Einrichtung einer Anlaufstelle für vertrauliche Informationen prüfen“ und „auf Ministerebene“ diskutieren. Doch davon war gestern nicht die Rede.

Stattdessen kamen Seehofer und die Fleischwirtschaft überein, dass alle „Fleischmakler registriert“ werden, die bisher unbekannt auch aus Hotelzimmern operieren können. Schon in den letzten Wochen hatten Fleischwirtschaft und Bauernverband immer wieder betont, dass für die Skandale keinesfalls die ganze Branche, sondern „nur Einzeltäter“ verantwortlich seien – „irgendwelche Dealer“.

Einig waren sich die Gesprächspartner auch über das „Verbraucherinformationsgesetz“, das Seehofer im Laufe des Dezembers vorbereiten will. Bisher darf vor Produkten nur gewarnt werden, wenn eine konkrete Gesundheitsgefahr zu befürchten ist. Dies lässt sich jedoch für Gammelfleisch meist nicht nachweisen, das zwar unappetitlich aussieht, aber nur selten krank macht. Die Fleischwirtschaft unterstützt eine verschärfte Regelung: „Wer sich kriminell auffällig benimmt, gehört an den Pranger gestellt“, befand der Verbandsvorsitzende Manfred Härtel gestern.

Die Verbraucherschützer hingegen sind unzufrieden: „Das Gesetz darf nicht nur für Lebens- und Futtermittel gelten; die Kunden müssen sich auch über Cremes oder Textilien informieren können.“ Die grüne Agrarexpertin Ulrike Höfken wiederum fragt sich, „was wohl aus dem Gesetz wird, wenn sich die Aufregung wieder legt?“.