Der Innenminister durfte schweigen

Nur die Nichtanzeige „geplanter“ Straftaten ist strafbar. Sechs Fragen und Antworten zur CIA-Affäre

Die Regierung könnte eine Aussage Schilys verweigern, wenn sie dem „Wohle des Bundes“ schadet

Ist es legal, wenn die CIA Terrorverdächtige verschleppt und in Geheimgefängnisse in andere Länder verbringt?

Nein. Nach deutschem Recht dürfte dies als Freiheitsberaubung gewertet werden. Auf die Verschleppung politischer Gegner steht sogar mindestens ein Jahr Haft. Wird ein Verdächtiger am Verschleppungsort misshandelt, ist dies zudem Körperverletzung.

Gilt das deutsche Strafrecht auch im Falle Khaled al-Masris, der in Mazedonien verschleppt wurde?

Ja. Er ist deutscher Staatsbürger.

Ist entschuldbar, dass im Fall al-Masris eine Namensverwechslung vorlag?

Nein. Illegal ist, dass die USA überhaupt Menschen auf fremdem Staatsgebiet ohne rechtsstaatliche Kontrolle verhaften und verschwinden lassen.

Exinnenminister Otto Schily hat zugegeben, dass er nachträglich über die Entführung al-Masris durch die CIA informiert wurde. Durfte er die Information für sich behalten?

Juristisch gesehen ja. Die „Nichtanzeige von Straftaten“ wird nur bestraft, wenn es um Verbrechen geht, die noch verhindert werden können. Schily wurde aber, soweit bisher bekannt, erst nach dem Ende der Verschleppung informiert.

Muss Schily nicht dafür sorgen, dass ein deutscher Staatsbürger, dem Unrecht widerfahren ist, anschließend vor Gericht zu seinem Recht kommt?

Natürlich musste Schily das Interesse al-Masris an einer Strafverfolgung der Täter und Entschädigung berücksichtigen. Aber er durfte dies auch mit anderen Interessen des Staates abwägen. Außenpolitisch hat das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung stets einen weiten Einschätzungsspielraum zugebilligt. Ob Schilys Verhalten politisch richtig war, könnte ein Untersuchungsausschuss des Bundestages prüfen.

Muss Schily der ermittelnden Staatsanwaltschaft Rede und Antwort stehen?

Grundsätzlich haben Zeugen bei der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und auszusagen. Als Exminister hat Schily jedoch über all das Stillschweigen zu bewahren, was er im Amt erfahren hat. Vor einer Aussage bräuchte Schily deshalb die Genehmigung der Bundesregierung. Diese kann jedoch verweigert werden, wenn dem „Wohle des Bundes“ Nachteile drohen.

CHRISTIAN RATH