LESERINNENBRIEFE
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Problematische Verdauung

■ betr.: „Müssen wir wegen des Klimas auf Fleisch verzichten?“, sonntaz vom 9. 1. 10

Als besonders klimaschädlich erweist sich Fleisch. Im Rindermastbetrieb rechnet Jesko Hirschfeld vor: „Die insgesamt knapp 13 Millionen Rinder in Deutschland stoßen jährlich große Mengen Treibhausgase aus. Deren Menge entspricht 22,5 Millionen Tonnen CO2. Das ist etwa ein Drittel der Emissionen, die in Deutschland aus dem Straßenverkehr kommen.“

Das schließt unter anderem die Verdauung, die Futterproduktion und die Haltung ein. Besonders problematisch erweist sich das bei der Verdauung der Rinder entstehende Treibhausgas Methan, welches ungefähr 25-mal klimaschädlicher als CO2 ist. Neben den direkten Emissionen der Tiere müssen auch die durch den Futtermittel Anbau produzierten CO2-Äquivalente in die Klimabilanz eines Steaks mit einbezogen werden. (Alles in allem werden bei der Produktion von 100 Gramm Rindfleisch 1.670 Gramm CO2-Äquivalent emittiert.)

Um die verschiedenen Treibhausgase untereinander vergleichen zu können, wurde eine einheitliche Bemessungsgrundlage festgelegt. Das CO2-Äquivalent oder Treibhauspotenzial gibt an, wie viel eine bestimmte Menge eines Treibhausgases zum Treibhauseffekt beiträgt. Als Vergleichswert dient Kohlendioxid. Das CO2-Äquivalent für Methan beträgt zum Beispiel 25. Ein Kilo Methan trägt also 25-mal stärker zum Treibhauseffekt bei als ein Kilo CO2.

ANTONIETTA TUMMINELLO, Duisburg

Gute alte Zweiklassenordnung

■ betr.: „Das ist kein Etikettenschwindel“, taz vom 8. 1. 10„Jetzt rebellieren die Professoren“ u. a., taz vom 9. 1. 10

Die technischen Universitäten (TU9) wollen ihren Diplom-Ingenieur wieder haben! In der Tat geht es Herrn Schmachtenberg und den von ihm vertretenen TU9 aber nicht um strukturelle Veränderungen der Studienqualität, sondern vordergründig um die Wiedereinführung der „Marke Dipl.-Ing.“. Ob es der „Symbolik und Strahlkraft dieses deutschen Qualitätsproduktes“ gelingen wird, den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken, also die eher hinteren Plätze der deutschen Eliteunis auf den internationalen Hochschulrankings zu verbessern, sei dahingestellt.

Ein viel wichtigerer Aspekt dieses „Etikettenschwindels“: Der wiederaufgewärmte Retroabschluss „Dipl.-Ing.“ der TU9 wird natürlich ein Dipl.-Ing. (Univ) sein. Damit wäre dann auch die kränkende und schmachvolle Gleichsetzung der mehr oder weniger (elite-)universitären Masterabschlüsse mit den Graduierungen der ungeliebten Fachhochschulen überwunden, die sich zwar mittlerweile „University of Applied Sciences“ nennen dürfen, deren neue Retroabschlüsse dann aber auch wieder „nur“ Dipl.-Ing. (FH) wären. Damit wäre dann die gute alte Zweiklassenordnung der akademischen Graduierungen wieder hergestellt. Da kommt der Verdacht auf, dass das das eigentliche Ziel der Professorenrebellion ist.

JÖRG MARIENHAGEN, Lappersdorf

Gesichtslose Standardisierungen

■ betr.: „Das ist kein Etikettenschwindel“, taz vom 8. 1. 10

So ist es ja in vielen Bereichen: Europa (oder heißt das jetzt nur noch Europe?) verlangt gesichtslose, austauschbare Standardisierungen, wo doch jeder Mensch das ist, was er isst (Schwarzbrot oder Baguette) und neben seiner Kindheit vor allem von seinem Beruf geprägt wird. Mit dem „Diplom-Ingenieur“ wurde nicht nur eine Marke aufgegeben, wie Herr Schmachtenberg völlig zu Recht bemerkt, sondern auch eine sinnstiftende, weil sich selbst erklärende Berufsbezeichnung. Dagegen erinnert „master“ eher an alte Schellack-Platten (his masters voice) und mit bätschelor als Ergebnis einer langjährigen Schul- und Universitätsausbildung erntet man höchstens in Sachsen etwas Mitleid. Ansonsten: our future is hearts IV, optional to go.

Ich war und bin stolz auf meinen Dipl.-Ing.-Abschluss und hatte zum Glück nicht das Problem kommender masters of – ja of was eigentlich? – Absolventen einem Vermieter mit Hilfe eines bologneser Anglizismus erklären zu müssen, dass ich einen eigentlich seriösen Beruf ausübe, halt mit bescheuertem Namen. Sprechen Sie mal bachelor auf Deutsch aus. Klingt wunderbar, nicht? Und im Schwäbischen ist ein Bachel eben eine Dumpfbacke und kein halber Ingenieur. Schmunzeln kann ich bei alledem nur über eines: Das Wissenschaftssystem hat trotz aller Schläue erst hinterher bemerkt, dass es sich mit einer verständlichen Beschreibung der vermittelten Wissensprofile sein Standbein in der Gesellschaft und damit vielleicht den letzten Rest Bodenhaftung wegmodernisiert hat.

OSWALD NEUBAUER, Stuttgart