Chile schafft es in den „Club der Reichen“

BEITRITT Die OECD nimmt mit Chile erstmals ein südamerikanisches Land als Mitglied auf

BUENOS AIRES taz | Kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit hat die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet noch einmal einen Erfolg errungen, der wahrscheinlich in die Geschichtsbücher eingehen wird: Nach zwei Jahren Verhandlungen ist Chile neben Mexiko das zweite lateinamerikanische Land, das der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angehört.

Ein Ziel der OECD ist, Demokratie und Marktwirtschaft sowie den Welthandel zu fördern. Und da kann sich Chile sehen lassen. Seit 1990 führt das regierende Mitte-links-Bündnis aus Christ- und Sozialdemokraten und Sozialisten das Modell unter stabilen demokratischen Vorzeichen nahezu unverändert fort. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich in der Zeit von 1985 bis 2002 pro Kopf – rund 16,5 Millionen Einwohner – verdreifacht.

Nach Jahren des stetigen Wirtschaftswachstums von teilweise über 5 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt nach den Angaben der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Cepal) im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent geschrumpft. Die internationale Finanzkrise und der Absturz der Weltmarktpreise für Rohstoffe hatten die Achillesverse der chilenischen Wirtschaft offenbart. Ihr Wohlergehen hängt von den Erlösen aus den Rohstoffexporten ab. Als im Juli 2008 der Kupferpreis von 8.400 US-Dollar pro Tonne auf 2.850 im Dezember 2008 zerbröselte, bekam auch Chile die Auswirkungen der Finanzkrise deutlich zu spüren.

Die Sympathie der Bevölkerung für Bachelet stammt denn auch überwiegend aus der Zeit des Krisenmanagements. Da sie 2008 mit den Einnahmen aus den vorangegangenen fetten Jahren einen milliardenschweren Konjunkturhilfefonds anlegen ließ, konnte die Präsidentin daraus mit rund 4 Milliarden Dollar erfolgreich gegensteuern.

Auch bei der Bekämpfung der Armut gibt sich die Regierung selbstbewusst. Nach ihren Angaben ist die Armut von rund 39 Prozent der Bevölkerung im Jahr 1990 auf knapp 14 Prozent im Jahr 2006 gesunken. Trotzdem hat sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. Chile liegt hinter Brasilien an zweiter Stelle der Ungleichverteilung des Einkommens in Südamerika.

Heute sind die Aussichten wieder rosiger. Die Prognosen sagen für 2010 ein Wachstum von 5 Prozent vorher. Doch was, wenn die Rohstoffvorkommen zu Ende gehen? Keiner der beiden Kandidaten, die am Sonntag bei der Stichwahl um das Präsidentenamt antreten, gibt darauf eine Antwort. JÜRGEN VOGT