China ist neuer Weltmeister

EXPORT Deutschland ist seit 2009 nicht mehr größte Exportnation der Welt, und die USA sind nicht mehr der größte Automarkt. Chinas Ökonomen warnen jedoch vor Problemen

Niemand weiß, wie viele Autos und Fernseher für die Halde produziert werden

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

China ist nun auch Exportweltmeister. Nach neuen offiziellen Zahlen verkauften Chinas Unternehmen 2009 Waren im Wert von 840 Milliarden Euro ins Ausland. Damit verdrängten sie Deutschland von Platz 1. Die deutschen Exporte beliefen sich auf 816 Milliarden Euro.

Der Plan der Regierung in Peking, sich weniger auf den Export zu konzentrieren und mehr auf den inländischen Konsum, trägt noch keine Früchte. Im Gegenteil: Im Dezember zogen die Exporte mit 17 Prozent im Vergleich zum Vormonat besonders kräftig an. Insgesamt beträgt Chinas Anteil am Welthandel mittlerweile 10 Prozent. Vor einem Jahrzehnt waren es erst 3.

Vor allem nach Südostasien und nach Afrika verkauft das Land beständig mehr Textilien, Maschinen, Elektrogeräte. Damit haben diese beiden Regionen dem US-amerikanischen Absatzmarkt fast den Rang abgelaufen. Die Volksrepublik wird allmählich unabhängiger von den beiden Wirtschaftsblöcken Nordamerika und Europa.

Gleichzeitig wuchs Chinas Wirtschaft nicht zuletzt dank des gewaltigen Konjunkturprogramms von 460 Milliarden Euro und der lockeren Kreditpolitik der staatlichen Banken, mit denen die Regierung auf die weltweite Finanzkrise reagierte. Für dieses Jahr rechnen Experten mit einem Wirtschaftswachstum von über 9 Prozent.

Die chinesische Autoindustrie gehört zu den Branchen, die besonders stark zulegten. 13,5 Millionen Passagierfahrzeuge zusätzlich rollten 2009 auf Chinas Straßen, 44 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit hat China den bisher größten Automarkt der Welt, die USA, überholt. Dort wurden im selben Zeitraum nur 10,4 Millionen Autos verkauft.

Trotz solcher Erfolgsstatistiken ist unter Chinas Ökonomen und Politikern von Triumph wenig zu spüren. Kein Tag vergeht, an dem sie nicht vor den großen Problemen warnen. Die Zentralbank ermahnte vorige Woche die Geldinstitute, keine Kredite an Unternehmen zu geben, die ungeniert neue Fabriken bauen, ohne dass der Absatz der Waren gesichert ist. Niemand weiß, wie viele Autos, Kühlschränke und Fernseher inzwischen für die Halde produziert werden. Das löst bei denen die Befürchtung aus, dass die überschüssigen Waren unter dem Herstellungspreis auf internationale Märkte geworfen werden. Die USA erheben bereits Schutzzölle auf Stahlrohre aus China. Die EU verlängerte ihre Einfuhrbeschränkungen für chinesische Schuhe.

Zudem fließen die Kredite des Konjunkturprogramms bislang kaum an private Betriebe. Weil diese kein Geld für ihre Investitionen erhielten, bliebe ihnen nichts anderes übrig, als „mit Immobilien und Aktien zu spekulieren“, klagte die chinesische Wirtschaftsreferenz. Die Furcht wächst, die Immobilienblase könnte schon bald platzen.

Um zu verhindern, dass Provinz- und Stadtregierungen Geld in nutzlose Projekte stecken, will Peking die Behörden zwingen, „die Öffentlichkeit angemessen nach ihrer Meinung zu fragen“, zitierte die Nachrichtenagentur Xinhua einen Mitarbeiter des Rechtsamtes. Die staatlichen Infrastrukturinvestitionen erreichten im vorigen Jahr rund hundert Milliarden Euro.