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HAMBURGER SZENE VON ALEXANDER DIEHLUnterm Volk

Olaf Scholz setzt sich auf den Platz neben mir. Es ist morgens, halb neun, und ein bisschen überrascht es mich ja doch, dass der Erste Bürgermeister mit dem 3er-Bus fährt. Noch dazu um diese Zeit. Wo mag er hinwollen? Und haben Sozialdemokraten keine Dienstwagen mehr?

Jetzt greift der Mann, der Olaf doch ganz schön ähnlich sieht, in seinen Rucksack. Ah ja, die Morgenpost, das passt: unauffällig mit dem Bus fahren, um zu erfahren, was der kleine Mann übers Anständig-Regiert-Werden sagt. Ich erinnere mich dunkel an irgendwelche Geschichten über kostümierte Zaren, die sich unter ihre Untertanen mischen. Oder waren’s Kalifen?

Der Mann, der mit etwas gutem Willen Olaf Scholz sein könnte, liest die Werbebeilage eines Unterhaltungselektronikhökers: Laptops und Smartphones und Flachbildfernseher mit 200-Hertz-Technologie. Quälend langsam schiebt sich der Bus die Stresemannstraße entlang. Wäre der Mann, der neben mir sitzt, wirklich Olaf Scholz, man könnte ihn darauf hinweisen: Früher, da regierte im Rathaus zum letzten Mal die SPD, gab es hier eine Busspur.

S-Bahn Holstenstraße. Großes Ein- und Aussteigen. Der Mann, der mit Olaf Scholz so viel nun doch nicht gemein hat, ist weg. Die schreienden Flachbildfernseher hat er liegen gelassen. Auf rotem Grund.

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