SILKE MERTINS ÜBER OBAMAS BESUCH IN ISRAEL
: Palästinenser? Uninteressant!

Barack Obamas Bemerkung, es sei „schön, mal vom Kongress wegzukommen“, mag eine scherzhafte Stichelei gewesen sein, gerichtet an das heimische Publikum. Doch das Sätzlein zeigt, wie wenig dringlich den Amerikanern der Nahostkonflikt inzwischen erscheint.

Noch nie hat es einen Präsidentenbesuch aus den USA gegeben, bei dem der Frieden zwischen Israelis und Palästinensern eine so geringe Rolle gespielt hat. Fast schon pflichtschuldig gingen am Mittwoch Obama, Netanjahu und Peres auf das Thema ein. Unendlich viel wichtiger waren der Bürgerkrieg in Syrien, die Krise um Irans Atomprogramm – die wahrscheinlich noch in diesem Jahr eskalieren wird –sowie die Instabilität der gesamten Region durch den Arabischen Frühling und seine Folgen.

Man kann es den Palästinensern nicht verdenken, dass sie sich an den Rand gedrängt fühlen. Die traurige Wahrheit ist, dass immer dann, wenn von palästinensischer Seite keine oder kaum Gewalt ausgeht, die Lösung des Konflikts seine Dringlichkeit verliert. Die New York Times schrieb sogar schon, der Nahostkonflikt sei von einer Notwendigkeit zu einem Hobby der US-Regierung geworden.

Israelis und Palästinenser haben sich in der Vergangenheit tatsächlich oft für den Mittelpunkt der Welt gehalten – als könnte kein Problem wichtiger sein als das eigene und kein Leid größer als ihres. Für beide Seiten ist es eine bittere Erfahrung, nun nicht mehr auf der Prioritätenliste ganz oben zu stehen.

Die Marginalisierung der Palästinenser ist aber auch schlicht kurzsichtig. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass Phasen relativer Ruhe immer von Gewalt und Aufständen abgelöst wurden. Und angesichts des Aufruhrs in der Region ist eine neue Intifada das Letzte, was der Nahe Osten noch brauchen könnte.

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