Europawahl: „Staatliche Wahlbeeinflussung“

Hamburger Senat muss Broschüre einstampfen, weil die CDU unzulässige Werbung für die SPD wittert. Das Heft soll nun parteipolitisch neutral überarbeitet werden.

Gemeinsam für ein sozialdemokratisches Europa: Olaf Scholz und Martin Schulz. Bild: dpa

HAMBURG taz | Dietrich Wersich ist mächtig auf der Zinne. „Gehört Hamburg schon wieder der SPD?“, fragt der CDU-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft und liefert die Antwort gleich mit: „Das ist staatliche Wahlbeeinflussung. So geht das nicht!“

Grund für die Verärgerung des Oppositionsführers und designierten Bürgermeisterkandidaten der CDU bei der Bürgerschaftswahl 2015 ist die Broschüre „Hamburg wählt Europa“, welche vorige Woche veröffentlicht wurde. Dieses Heft mit den Veranstaltungen zur Europawoche vom 3. bis 11. Mai in Hamburg enthält unter anderem ein doppelseitiges Interview mit dem amtierenden Präsidenten des EU-Parlaments, dem Aachener Sozialdemokraten Martin Schulz. Der aber firmiert dort als „Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten“ im Europawahlkampf.

Nach Meinung von Wersich verletzt der SPD-Senat damit „nicht nur die Regeln des politischen Anstands, sondern auch die Neutralitätspflicht der Verfassung“. Deshalb müsse die 32-seitige Broschüre zurückgezogen und eingestampft werden, fordert der Christdemokrat. Immerhin hatte Schulz zusammen mit Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz am Sonnabend auf Kampnagel den Europawahlkampf eröffnet. „Lasst uns hier von Hamburg aus so viel wie möglich Leute an die Wahlurnen bringen: Denn steigt die Wahlbeteiligung, steigen die sozialdemokratischen Ergebnisse“, sagte Schulz, der nur zu gerne der nächste EU-Kommissionspräsident werden möchte.

Die Broschüre werde nun zurückgezogen, erklärte am Montag Senatssprecher Jörg Schmoll. Was von den 50.000 Exemplaren noch nicht verteilt wurde, „wandert ins Altpapier“. Ob sie in korrigierter Form neu gedruckt würden, sei noch nicht abschließend entschieden, im Internet würde die überarbeitete Neufassung rasch freigeschaltet werden.

Die Europawahl 2014 findet am 25. Mai statt. In Hamburg werden parallel dazu die sieben Bezirksversammlungen gewählt.

Wahlberechtigung: Alle EU-BürgerInnen ab 18 Jahren dürfen dort wählen (und gewählt werden), wo sie seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz haben sind. In Hamburg sind somit zusätzlich zu den 1,25 Millionen volljährigen Deutschen weitere 100.000 EU-BürgerInnen wahlberechtigt.

Wahlergebnis: 2009 lag die Wahlbeteiligung bei nur 34,7 Prozent. Die CDU erzielte 29,7 Prozent der gültigen Stimmen, die SPD 25,4%, die Grünen 20,5%, die FDP 11,1% und die Linke 6,7%.

Mandate: Hamburg hat drei Abgeordnete im Europaparlament: Birgit Schnieber-Jastram (CDU), Knut Fleckenstein (SPD), Sabine Wils (Die Linke).

Allerdings weist Schmoll darauf hin, dass die Broschüre auch ein Interview mit dem EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) enthält. In dem Interview mit Schulz würden die Neuerungen bei dieser Europawahl, bei der erstmals die Spitzenkandidaten der Parteien bei der Wahl des Kommissionspräsidenten berücksichtigt werden müssen, erläutert. „In keiner Frage oder Antwort des Interviews mit dem Parlamentspräsidenten wird zur Wahl einer Partei oder seiner Person aufgefordert.“ Es enthalte lediglich allgemeine Aussagen zur Bedeutung der Wahl, zum neuen Wahlverfahren mit europäischen Spitzenkandidaten und zu den wichtigsten politischen Themen in Europa.

Nach Angaben der Senatskanzlei, die zusammen mit der Hamburger Europa-Union Herausgeber der Broschüre ist, hat das Programmheft 16.715 Euro gekostet. Davon habe die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland 10.760 Euro als Druckkostenzuschuss beigesteuert. Die Senatskanzlei habe lediglich 3.155 Euro für Grafik und Layout sowie 2.800 Euro für Texte und Redaktion zu tragen.

Schmoll besteht deshalb darauf, dass das Programmheft „parteipolitisch neutral“ sei. Es enthalte „an keiner Stelle einen Wahlaufruf oder eine parteiliche Stellungnahme“. Dennoch würden die Hefte nicht weiter verteilt und die kritisierten Formulierungen „nunmehr zeitnah angepasst“.

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