Die Richtigen finden

Ausbildungsplätze sind Mangelware. Trotzdem haben Unternehmen oft Probleme, passende Mitarbeiter zu finden. Mit speziell zugeschnittenen Auswahlverfahren wird die Wahl treffsicherer

Früher reichte handwerkliches Geschick, heute sind Jobs komplexer

VON VOLKER ENGELS

Dass Ausbildungsplätze in manchen Bereichen weiterhin Mangelware sind, stimmt. Genauso wie die Tatsache, dass einige Firmen Probleme haben, motivierten und leistungsfähigen Nachwuchs zu finden. Gerade kleine Firmen sind auf Auszubildende angewiesen, die sich schnell und engagiert in den Betrieb einfinden.

„Es ist für uns extrem schwierig, auf dem Arbeitsmarkt hochwertige Fachkräfte zu finden“, sagt Oliver Mayer, Geschäftsführer der Berliner Produktionsagentur Tiff.any. Der Betrieb mit insgesamt 20 Mitarbeitern arbeitet unter anderem in der Buchherstellung, entwickelt für Zeitschriften das Layout oder baut Internetseiten.

Viele Stellenbewerber, die sich in der Vergangenheit auf Anzeigen der kleinen Kreuzberger Firma gemeldet hätten, seien Generalisten. „Wir brauchen aber Fachkräfte, die sich spezialisiert haben und in einem Bereich richtig versiert sind“, so Mayer. Die Profession des Mediengestalters vereine eigentlich mehrere Berufe, weil Kenntnisse aus den Bereichen Schriftsatz, Grafik, Lithografie sowie Webdesign nötig seien.

Eine Möglichkeit, den passenden Nachwuchs zu finden: Selbst ausbilden. „Unsere Auszubildenden sollen von der Pike auf die Grundkenntnisse lernen, die sie für die Arbeit brauchen“, erläutert der Geschäftsführer, der selbst eine abgeschlossene Lehre als Schriftsetzer in der Tasche hat. Aber wer passt? „Wir mussten in der Vergangenheit viel Zeit und Geld für die Bewerbungsverfahren aufwenden, um den Richtigen zu finden.“

Doch passender Nachwuchs, klagen Betriebe, ist nicht so leicht zu bekommen: „Schon seit längerem beobachten wir, dass ein Viertel der Schulabsolventen nicht ausbildungsfähig ist“, sagt Anja Nussbaum von der Berliner Industrie- und Handelskammer. Bei den kognitiven Fähigkeiten wie Rechnen und Schreiben gebe es erhebliche Defizite, auch die Motivation der Schulabgänger sei oft nicht ausreichend. „Darüber hinaus lassen häufig soziale Komponenten wie Teamfähigkeit zu wünschen übrig.“ Die promovierte Juristin weiß, dass es nicht alleine den Jugendlichen an Fähigkeiten und Kenntnissen fehlt: „Die Anforderungen sind in vielen Berufen deutlich gestiegen.“ Während für klassische manuelle Tätigkeiten früher handwerkliches Geschick ausreichte, müssten heute teilweise „komplizierte Diagnosesysteme“ bedient werden.

Bundesweit befanden sich nach Berechnungen des Bundesverbandes Druck und Medien (BVDM) im vergangenen Jahr rund 9.850 Mediengestalter in einem Ausbildungsverhältnis, in der Region Berlin-Brandenburg waren in diesem Bereich 816 Auszubildende beschäftigt.

Um fitte Mitarbeiter zu finden, hat Tiff.any ein eigenes Auswahlverfahren für Auszubildende entwickelt: Von rund 170 Bewerbern, die sich für die Ausbildung zum Mediengestalter interessiert haben, wurden zwei Gruppen à 30 Teilnehmer zu einem Einstellungstest eingeladen, den die Kreuzberger entwickelt haben. Nicht alleine Schulabgänger, sondern auch ältere Semester „mit Lebenserfahrung“ konnten am Bewerbungsverfahren teilnehmen.

In einem theoretischen Test wird unter anderem allgemeines Wissen abgefragt, Mathekenntnisse und Rechtschreibung, Textverständnis sowie das Konzentrationsvermögen überprüft: „Damit wollen wir zum Beispiel überprüfen, ob Bewerber Arbeitsanweisungen überhaupt verstehen.“ Ein anspruchsvolles Verfahren, weil sich die Probanden zudem noch an eine enge Zeitvorgabe halten mussten: „Im Joballtag“, sagt Mayer, „müssen Projekte auch unter Zeitdruck fertig werden.“

Im praktischen Teil des Tests mussten die Bewerber etwa unter Beweis stellen, dass sie eine einfache Anzeige mit einem Bleistift gestalten können. „In diesem Teil schauen wir uns auch an, ob jemand ein Gefühl für Formen und Farben hat und akkurat arbeiten kann.“

Teilnehmer, die sich im Vorfeld über den potenziellen Arbeitgeber informiert haben, konnten Pluspunkte sammeln. Schließlich gab es im Anschluss an den insgesamt vierstündigen Test bei belegten Broten die Möglichkeit, den potentiellen Arbeitgeber kennen zu lernen. Quasi nebenbei wurde dabei das Sozialverhalten der Bewerber unter die Lupe genommen: Zeigt sich der angehende Mediengestalter eher freundlich-kommunikativ, hat er bessere Chancen als ein verschlossener Eigenbrötler. „Mitarbeiter müssen auch im Kundengespräch klarkommen“, sagt Mayer.

Bevor ein Bewerber schließlich einen der begehrten Ausbildungsverträge zum Mediengestalter in der Tasche hat, muss er bei Tiff.any ein bezahltes Praktikum absolvieren. Erst dort fällt dann die definitive Entscheidung: Von fünf Bewerbern, die es bis zu einem Praktikumsplatz geschafft haben, sollten ursprünglich drei einen Ausbildungsplatz erhalten. „Die waren aber alle so klasse, dass wir ihnen einen Vertrag gegeben haben.“ Seine Erfahrungen mit dem Auswahlverfahren gibt Mayer auch gerne an andere Firmen weiter: „Anruf genügt.“

Weitere Infos: www.tiff.any.de