Zum ersten Mal eine Chefin?

Der Trend geht zur Frau: Das Bremer Theater wird ab Mitte 2007 voraussichtlich von einer Generalintendantin geleitet. Zum Amtsantritt hat der Haushalts- und Finanzausschuss bereits gestern eine Million Euro als Kapitalerhöhung in Aussicht gestellt

Bremen taz ■ Die Nachfolge von Klaus Pierwoß an der Spitze des Bremer Theaters ist zu 66 Prozent weiblich besetzt. Eine fünfköpfige Findungskommission unter Vorsitz von Ulrich Khuon (Intendant des Hamburger Thalia) hat aus einem 50-köpfigen Bewerbungsfeld zwei Frauen und einen männlichen Kandidaten vorgeschlagen, von denen eineR im Juli 2007 am Schreibtisch der Generalintendanz Platz nehmen darf.

Als aussichtsreichste Kandidatin gilt die in der Szene hoch geschätzte 45-jährige Stuttgarter Chef-Dramaturgin Juliane Votteler: Als einzige des End-Trios ist sie ausgewiesene Expertin sowohl für Oper als auch für Schauspiel. Im Übrigen ist sie mit der Situation vertraut, dass bereits von Stadt und Land zugesagte Finanzmittel nicht ausgezahlt werden.

Neben der Linguistin und Literaturwissenschaftlerin Susanne Stähr (nach eigenen Angaben Besitzerin von sieben Tonnen Büchern) ist mit Hans-Joachim Frey außerdem auch ein ehemaliger Bremer im Rennen: Bevor der 40-Jährige als künstlerischer Betriebsdirektor (mittlerweile Operndirektor) nach Dresden ging, war er am Goetheplatz als Chef-Disponent aktiv. Als Mann von bezaubernden Manieren ist Frey ein begnadeter Drittmittel-Akquisiteur, nicht zufällig agiert er auch als Vorstandssprecher des in Dresden sitzenden „Internationalen Forums für Kultur und Wirtschaft“.

An der fachlichen Hochkarätigkeit der Auswahlkommission kann kein Zweifel bestehen, Khuon selbst sitzt unter anderem dem künstlerischen Ausschuss des Deutschen Bühnenvereins vor und ist Generalsekretär der Europäischen Theaterkonvention. Allerdings ist ein solches Verfahren auch nicht davor gefeit, persönliche Schützlinge nach vorn zu schieben. So ist Stähr seit Jahren enge Mitarbeiterin von Kommissions-Mitglied Peter Ruzicka, dem Noch-Intendanten der Salzburger Festspiele, wo Stähr derzeit als Pressechefin engagiert ist. Ein Problem? Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann, die das bis Ende des Jahres „hoffentlich“ abgeschlossene Verfahren maßgeblich mitbestimmt: „Das sehe ich nicht so.“

Parallel zur KandidatInnen-Kür beschloss der Haushalts- und Finanzausschuss gestern – einem Vorschlag der Kulturdeputation folgend – die Eigenkapitaldecke des Theaters um eine Million Euro aufzustocken. Das im Verhältnis zum jährlichen Umsatz von 29 Millionen als völlig unzureichend geltende bisherige Vermögen von 185.000 Euro war – schon vor den aktuellen Defizitproblemen – eine der Ursache für die chronische Insolvenzgefährdung des Hauses. Allerdings ist die Aufstockung zunächst lediglich als Kredit definiert. Die Umwandlung in „echtes“ Eigenkapital soll von einer Mitte kommenden Jahres stattfindenden Evaluation abhängen, in der das Fortschreiten der „Konsolidierung“ des Hauses geprüft wird.

Das Problem: Welche Maßstäbe dafür gelten, ist noch gar nicht festgelegt. Florian Kruse, Sprecher des Kulturressorts, verweist lediglich auf die sich immer noch hinziehenden Verhandlungen über den so genannten Notlagentarifvertrag für die Theaterangestellten, die auf ihre Weihnachts- und Urlaubsgeldansprüche verzichten sollen.

Darüber hinaus hat das Ressort den Etat für Gasthonorare sowie den Fortbestand von Brauhauskeller und der „Concordia“-Spielstätte in Frage gestellt. Auch eine Kürzung des künstlerischen Outputs um vier bis fünf Produktion pro Jahr ist seitens des Kultursenators im Gespräch.

Henning Bleyl