„Die Europäer sitzen doch mit im Boot“

Der Bush-Berater Richard A. Falkenrath hält die Aufregung in Europa über die CIA-Praxis für übertrieben. Denn auch die Europäer würden doch von den US-Erkenntnissen profitieren. Außerdem würden die USA gar nicht foltern

taz: Herr Falkenrath, in Europa fragt man sich, was Condoleezza Rice mit ihren Aussagen zum Thema Folter wollte. Was hat sie Ihrer Meinung nach gesagt?

Richard A. Falkenrath: Sie hat den europäischen Regierungschefs gesagt: Wir sitzen im gleichen Boot. Wir alle wollen unsere Bevölkerung vor Terrorattacken schützen. Wir alle benötigen die Informationen der Sicherheitsdienste. Wir teilen unsere Erkenntnisse sogar mit euch. Die sind aber schwer zu bekommen, dafür müssen wir uns alle die Hände schmutzig machen. Also bewerft uns nicht mit Schmutz, bevor ihr das Ganze nicht für euch zu Ende gedacht habt.

Sie meinen, Rice hat den europäischen RegierungschefInnen bedeutet, die Debatte um CIA-Gefängnisse und -Flüge sei ein internes Problem Europas?

Dr. Rice hat klar gesagt, dass die USA die Souveränität anderer Staaten respektieren. Damit meinte sie eindeutig, dass die USA einzelne Regierungen via deren Sicherheitsdienste anspricht und diese um Erlaubnis für einzelne Aktionen bittet. Diese Regierung entscheidet, ob sie das verantworten kann.

Rice meint also, dass die Europäer den USA grünes Licht gegeben haben und jetzt wenig Grund haben, auf die USA wütend zu sein?

Die Europäer müssen sich in der Tat mit ihrer Rolle auseinander setzen. Einige europäische Staaten haben Auslieferungen zugestimmt. Da werden sie diese Debatte nicht allzu gründlich führen wollen.

Der damalige deutsche Innenminister Otto Schily beharrt darauf, nichts von den CIA-Flügen gewusst zu haben und auch von der Entführung des Deutschen al-Masri durch die USA erst im Nachhinein informiert worden zu sein.

Wenn das so war, dann wird es für Dr. Rice wirklich schwierig werden. Möglicherweise war Masris Verbringung nach Afghanistan nach deutschem Recht illegal. Dann könnten jene, die das getan haben, in Deutschland angeklagt werden. Sehr viel mehr kann die Bundesregierung aber nicht unternehmen. Der US-Präsident kann schließlich nicht angeklagt werden. Es bleibt aber die Frage, was genau der deutschen Regierung vorher mitgeteilt wurde. Die Auslieferung an Drittstaaten ist in den USA jedenfalls gesetzlich erlaubt. Und es gibt keine internationale Konvention, die die Abschiebung verbietet.

Interessant. Auch in Länder, die foltern?

Nein, das würde der Konvention gegen Folter widersprechen, die die USA 1994 unterzeichnet haben. Aber wir wissen noch zu wenig über die einzelnen Fälle, die die USA abgeschoben haben. Viele sind mit den Erklärungen von Präsident Bush diesbezüglich unzufrieden. Aber im Moment wissen wir nicht mehr.

Wirklich? Man weiß immerhin so viel, dass es auch in den USA eine heftige Folter-Debatte gibt. Der republikanische Senator John McCain macht sich seit Wochen – trotz Drohungen aus dem Weißen Haus – dafür stark, das Verbot der grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung Gefangener in US-Gesetze einzuarbeiten. Dafür wird er Gründe haben …

Dr. Rice hat ganz klar gesagt, dass die USA auf der Grundlage der Konvention gegen Folter nicht foltert. Diese Konvention haben wir in unsere Gesetze eingearbeitet. Die Konvention befasst sich in der Tat auch mit grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung von Gefangenen. Diesen Passus hat die USA, anders als manche europäische Regierung, nicht in ihre Gesetze übernommen.

Sie meinen also, dass die USA es sich aussuchen können, inwieweit sie einen Vertrag, den sie ratifiziert haben, erfüllen?

Nein, die Konvention selbst ist völlig eindeutig. Folter ist verboten. Aber jene grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung ist nicht kategorisch verboten. In der Konvention steht ausdrücklich: Es gelte zu verhindern, dass diese angewendet wird.

Und die Bush-Regierung weigert sich, diesen Passus in US-Gesetze aufzunehmen.

Verschiedene Staaten haben sich bei der Einarbeitung der Konvention in ihre nationale Gesetzgebung für verschiedene Anwendungsstufen entschieden. Wenn man alle Parteien, die die Konvention unterschrieben haben, fragen würde, käme man zu sehr unterschiedlichen Aspekten.

Auch Republikaner kritisieren den Umgang der USA mit Menschenrechten. Kann das für Bush gefährlich werden?

Es gibt heftige Kritik an Bushs Handhabung des Kriegs gegen den Terror. Davon ist der Umgang mit den Gefangenen nur ein Aspekt – mit Sicherheit keiner, der das Zeug hat, Bush aus dem Amt zu jagen. INTERVIEW:

ADRIENNE WOLTERSDORF