Grausame See

KULTURGESCHICHTE Das Altonaer Museum präsentiert ab Mai die Ausstellung „Der Tod und das Meer“

Vielleicht ist es ungerecht zu sagen, dass der Tod mancherorts präsenter ist. Denn in vielen Regionen lauert er: in Bergbau-Regionen durch unsichere Gruben, in Industrienähe durch austretende Gifte, am AKW durch Strahlung. Die These, dass Küsten – Heimat der Seeleute – prädestiniert wären für die besonders häufige Konfrontation mit dem Tod, ist also kaum zu halten.

Ein Mythos ist sie trotzdem: die riskante Seefahrt, manchmal aus Abenteuerlust betrieben, oft aber aus purer finanzieller Not. Ein Thema par excellence also für das Altonaer Museum, das sich auch der Küstenseefahrt verschrieb. „Der Tod und das Meer“ heißt die Schau, mit der das Haus im Mai nach viermonatiger Sanierung neu eröffnet.

Man könnte das Thema als Anspielung auf die wechselvolle Geschichte des mehrfach von Schließung bedrohten Hauses verstehen. Aber Kuratorin Nicole Tiedemann-Bischop sieht darin eher einen „Phoenix aus der Asche“-Effekt. Die Schau sei ein exzellentes Beispiel dafür, wie gut die Sammlung des Hauses den neuen Anspruch, Natur und Mensch, Kunst- und Kulturgeschichte zu vereinbaren, erfülle.

Aber der neue Anspruch ist der alte, und genau diese Konglomerat-Ausstellungen aus Gemälden und maritimen Alltagsgegenständen zählen zum Standard des Hauses. Ganz klar war nie, ob diese Praxis genial ist oder schlicht. Aber die Ambivalenz regt an, und das soll sie auch in dieser Schau tun. Gemälde und Grafiken vom 16. Jahrhundert an werden da zusammengestellt, und der Parcours versteht sich als Annäherung: Bis zum 17. Jahrhundert malten die Künstler Schiffskatastrophen mit Distanz zum Geschehen. In der Romantik zoomte man den Betrachter dann näher: Jetzt konnte er die Verzweiflung der Seeleute sehen. Jetzt konnte er erfassen, worin das Leid der an Land wartenden Seemannsfrau bestand, das Thema vieler Bilder ist.

Dazu passen die Trauerhauben aus Hamburg-Blankenese. „Je höher der Weiß-Anteil, desto länger lag der Tod des Ehemanns zurück und desto eher war die Frau wieder frei für den Heiratsmarkt“, sagt Nicole Tiedemann-Bischop. Das wiederum diente der Altersversorgung der Frau. Denn der Seemann war oft der einzige Versorger, und Sozialversicherungen für Seeleute gab es erst Ende des 19. Jahrhunderts. Ein genderhistorisch interessanter Aspekt. „Aber dies ist nicht Fokus der Schau“, sagt die Kuratorin.

Denn einen solchen gibt es nicht. Wohl aber das Wechselspiel von Sozial- und Ideengeschichte. Und dass sich die Schiffsreise als Allegorie auf die Lebensreise deuten lässt: Das wird die Schau genauso zeigen wie jene Friedhöfe für namenlose Seeleute, die es zahlreich an Nord- und Ostseeküste gibt.  PS

„Der Tod und das Meer“: ab 1. 5. 2013 im Altonaer Museum