CIA-Entführung: bigotte Empörung
: KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Die Empörung in Deutschland über die Entführung eines deutschen Staatsbürgers durch die CIA ist berechtigt – doch sie hat auch etwas Heuchlerisches. Die Frage, ob der BND nun durch eigene Zuarbeit die CIA erst auf die Spur Khaled al-Masris gebracht hat, ist dabei zweitrangig. Denn ob solch eine Zusammenarbeit, wenn es sie denn gegeben hat, später im öffentlichen Diskurs als Skandal oder als hervorragender Ermittlungserfolg gewertet wird, bemisst sich eben leider nicht an der Frage, ob völker- und menschenrechtliche Standards eingehalten wurden.

Im Klartext: Wäre Khaled al-Masri nicht so unschuldig gewesen, wie er es war und ist, ja hätte er in der Gefangenschaft tatsächlich Pläne für Anschläge verraten, die dann hätten verhindert werden können – niemand außer den Menschenrechtsorganisationen hätte sich mit der These an die Öffentlichkeit getraut, es handele sich beim Fall al-Masri um einen Skandal. Dabei wären exakt die gleichen Rechtsnormen verletzt worden.

Wer sich an das große öffentliche Verständnis für die Androhung von Folter durch Frankfurts damaligem Vizepolizeichef im Fall des entführten Bankierssohn Jakob Metzler erinnert, wird nicht umhin können, zumindest die Schrillheit des Protests heute für bigott zu halten. Zwar sei Folter verboten, doch gebe es immer Situationen, in denen der Verweis auf Gesetze oder das Beharren auf Prinzipien nicht weiterhelfe, sagte damals etwa der Noch-nicht-Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine. Nicht nur dem deutschen Stammtisch fehlt eine Menschenrechtserziehung.

Die Kritik an den USA ist deshalb nicht weniger angebracht. Doch wer in Deutschland nicht begreifen mag, dass es für den Geltungsbereich der Menschenrechte eben keine Ausnahmen geben kann, hat wenig Recht, die US-Regierung anzugreifen, die nichts anderes praktiziert, nur in größerem Maßstab. Außenminister Frank-Walter Steinmeier dürfte nicht gerade das gemeint haben, als er vorgestern in Brüssel begrüßte, dass sich die USA und Europa in ihrem Rechtsverständnis nicht auseinander bewegten. Doch genau genommen hat er da mehr Wahrheit ausgesprochen, als es der Wahrung der Menschenrechte wirklich gut tut.