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Mediendebatte über SchulgewaltEin überflüssiges Outing

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Trends und Analysen sind wichtig, ein öffentliches Ranking aber nicht. Es ist bitter, dass jetzt eine Liste veröffentlicht wird, die nach Warnung der Experten kontraproduktiv wirkt.

E ine Mediendebatte über Jugendgewalt ist ganz leicht entfacht, oft braucht man noch nicht mal einen Anlass, wie Anfang Mai die Polit-Talkshow „Günther Jauch“ im Anschluss an eine fiktive Tatort-Story zeigte.

Dabei geht Jugendgewalt zurück, auch Gewalt an Schulen. Und die These, dass die Taten zwar weniger, aber grausamer werden, ist durch die Statistik nicht belegt. Klar ist aber auch: Dort, wo Kinder- und Jugendliche den Tag über zusammen sind, kommt es zu Gewalt. Prävention und Aufklärung sind das Gebot der Stunde. Es ist schon bitter, dass jetzt eine Liste veröffentlicht wird, die nach Warnung der Experten eine kontraproduktive Wirkung entfalten kann.

Und die Zahlen passen wie die Faust auf Auge zur aktuellen Schuldebatte. Wenn nur die Gymnasien die gewaltfreien Inseln sind, müssen die besorgten Eltern ihre Sprösslinge ja dort anmelden und können ihnen ein neunjähriges Abitur an der Stadtteilschule nicht zumuten.

So ganz zieht das nicht. Schließlich sind die Gymnasien ja vielleicht einfach nur nicht ehrlich. Und an der großen Mehrheit der Stadtteilschulen, über 70 Prozent, ist dieser Kelch vorübergezogen. Das ist eine gute Nachricht.

Das Ganze ist ein Spiel mit dem Feuer. Trends und Analysen sind wichtig, ein öffentliches Ranking aber nicht. Passiert an einer Schule ein übler Vorfall, muss diese damit offen umgehen, auch gegenüber den Eltern, denn solche Dinge tun sonst auch auf der Ebene von Gerüchten ihre Wirkung. Ein stadtweites Outing dieser Schulen jedoch ist Unsinn. Doch offensichtlich müssen wir uns jetzt daran gewöhnen. Der Schulsenator stellt sich darauf ein und will die Erfassung verbessern.

Dabei ist zu bedenken, wie es wirkt, wenn jetzt der Transparenz zuliebe die Polizei verstärkt in die Grundschulen gucken soll, um zu entscheiden, was Rangelei und was Gewalttat ist. Kinder sind nicht ohne Grund strafunmündig.

Sollte es mit diesen Rankings weitergehen, könnte dies auch eine positive Wirkung entfalten. Es könnte deutlich werden, dass ein Schulsystem, dass die ärmeren Kinder auf die eine und die wohlhabendere auf die andere Sorte Schule schickt, auf Dauer nicht funktioniert. Nichts anderes sagen die erhobenen Kess-Sozialdaten. Die Rowdys müssen dann halt auch aufs Gymnasium gehen.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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2 Kommentare

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  • Ein öffentliches Ranking ist gar nicht nötig. Die Eltern, die sich wirklich für die Schule Ihrer Sprösslinge interessieren, informieren sich auch so (über befreundete Eltern,, Kollegen, Berkannte aus Vereinen), welche Schule die Richtige ist. Eltern, die sich nicht dafür interessieren, werden auch kein Ranking lesen.

    • @MRO:

      Es gibt eine Armutsverwahrlosung und eine Wohlstandsverwahrlosung. Wohlstandsverwahrlosung lässt sich besser kaschieren, weil Eltern die Schäden durch Geldleistungen aus der Welt schaffen.

      Rankingergebnisse werden von Jugendlichen beachtet und entsprechend "gewürdigt". Man weiß dann genauer, wo man sich am Rabatz als Freizeitbeschäftigung beteiligen kann. Körperliche oder psychische Gewalt ist nicht an eine Schulform gebunden.