Solo für den Präsidenten

Auch ohne Trainer Norbert Meier taumelt der MSV Duisburg weiter Richtung Abstieg. Nach dem 1:1 gegen Bielefeld glaubt nur noch Präsident Walter Hellmich an die Mannschaft – und an Jürgen Kohler

AUS DUISBURGHOLGER PAULER

Jürgen Kohler wurde in der MSV-Arena nicht gesichtet. War der vermutlich neue Trainer des MSV Duisburg überhaupt da? Viel Möglichkeiten, unerkannt zu bleiben, hatte der Favorit auf die Nachfolge des unter der Woche geschassten Norbert Meier jedenfalls nicht. Offiziell 19.143 Zuschauer hatten sich zum Spiel MSV Duisburg gegen Arminia Bielefeld eingefunden. Die vielen leeren Sitzschalen ließen aber eher darauf schließen, dass ein Großteil der 11.000 Dauerkarteninhaber das heimische Wohnzimmer dem zugig kalten Stadion vorgezogen hatte. Sie wussten warum: Mit dem 1:1 gegen Bielefeld festigte der MSV seinen Platz in der Abstiegszone. Keine Erfolg versprechende Bewerbung um zweifelnde Trainer.

„Ich könnte mir vorstellen, dass Kohler zu Duisburg passt“, sagte MSV-Präsident Walter Hellmich am Samstagabend im ZDF-Sportstudio. 25 bis 30 Bewerbungen seien bislang eingegangen. „Alle paar Minuten klingelt das Telefon“, so Hellmich. Er wolle allerdings keine „Hasardeure“ oder „Eintagsfliegen“, sagte der allmächtige Herr über den Meidericher Spielverein. „Wir setzen auf Kontinuität.“ In welche Kategorie die ebenfalls genannten Ewald Lienen, Kurt Jara oder Klaus Augenthaler passen, ließ Hellmich sich nicht entlocken.

Am Nachmittag schien es noch, als bräuchte der MSV Duisburg keinen neuen Trainer. Die Mannschaft fand gut in das mäßige Spiel. Interims-Coach Heiko Scholz hatte auf das Meier-System gesetzt. Nur die Dreierkette wurde im Zentrum ausnahmsweise von Mittelfeldmann Ivic Grlic zusammen gehalten. Vorne sorgte Abdelaziz Ahanfouf für die gefährlichen Szenen: Abstauber über das Tor, Pfostenschuss – in der 42. Minute gelang ihm dann der durchaus verdiente Führungstreffer. Doch wie so häufig konnten die Duisburger ihre Leistung nicht über die gesamten 90 Minuten bringen. Die Bielefelder glichen durch Vatmir Vata (52.) aus und kontrollierten mit ihrer überlegeneren Spielanlage die Partie. Die gelbrote Karte für Duisburgs Markus Kurth (69.) sorgte für die endgültige Entscheidung Richtung Remis – ein Ergebnis, mit dem nur die Bielefelder Gäste zufrieden waren. „Wir haben auswärts an Stabilität gewonnen und können mit dem Punkt leben“, sagte Arminen-Trainer Thomas von Heesen nach dem Spiel. Und er hatte noch ein Lob für den MSV parat: „Diese Mannschaft hat gezeigt, hinter wem sie steht.“

Die MSV-Fans hatten ihre eigene Sicht. „Wer frei von von Sünde ist werfe den ersten Stein – gegen übertriebene Medienhysterie“, stand auf einem Transparent, das die gesamte Stehplatz-Kurve der Heimfans ausfüllte. Darunter prangten die Logos von DSF, Premiere und Sport-Bild. Das sonst eher Meier-kritische Sitzplatz-Publikum bedachte die Aktion der Duisburger Ultras mit anerkennendem Applaus. Sogar ein Kurzer „Norbert-Meier“-Sprechchor wurde angestimmt. Seltene Rückendeckung für den nur mäßig beliebten und sportlich nur bedingt erfolgreichen Ex-Trainer. Meier war unter der Woche nach seinem Kopfstoß gegen den Kölner Spieler Albert Streit und dem Vortäuschen einer eigenen Verletzung vom Verein fristlos entlassen worden. Der DFB will ihn für drei Monate sperren. Die Fans verklärten daraufhin die Person Norbert Meier zum Idol und glaubten plötzlich bei ihm das zu erkennen, was sie bei ihrer Mannschaft vermissten: Emotionen, Kampf und Leidenschaft für den Verein. Ein Armutszeugnis vor allem für die Spieler.

Die beiden Endspiele um den Klassenerhalt gegen den 1. FC Köln und Arminia Bielefeld konnte der MSV Duisburg nicht gewinnen. Die Hoffnung auf den Klassenerhalt schwindet schon jetzt. Und neue Unterstützung werden Mannschaft wie Trainer wohl kaum bekommen. „Wir holen im Winter nur einen Spieler für das defensive Mittelfeld“, kündigte Walter Hellmich am Wochenende an. Punkt. „Uns fehlen nicht viele Punkte zum Nicht-Abstiegsplatz.“ Er glaubt an diese Mannschaft.

Aber Hellmich glaubte ja auch schon, mit Norbert Meier den richtigen Trainer gefunden zu haben. Nun hofft er auf Jürgen Kohler. Nur zur Erinnerung: Der Ex-Nationalspieler hat bislang noch keine Profimannschaft trainiert. Als Sportdirektor bei Bayer Leverkusen wurde er nach einem Jahr entmachtet. Eigentlich für fünf Jahre eingestellt, musste er im Sommer 2004 gehen, den Trainerjob beim VfB Stuttgart nahm er im selben Jahr erst gar nicht an. Referenzen stammen allesamt aus Kohlers Zeit als Spieler: Weltmeister, Champions-League-Sieger, Deutscher Meister.

Die Fans stehen der Verpflichtung eher skeptisch gegenüber. „Hau ma ab mit dem Kohler!“, „Auf den Kohler hab ich ja auch überhaupt gar kein Bock“, heißt es in deren Foren. Und die Zuschauer haben durchaus ein gutes Gespür: „Streit suchte Streit – macht Meier nicht zum Bauernopfer“, stand auf einem Transparent, das auch lange nach Abpfiff einsam vor den blauen Sitzschalen der leeren Südkurve hing. Ob Jürgen Kohler das gesehen hat?