Rüttgers‘ Geschwätz von gestern

Als Oppositionsführer hat Jürgen Rüttgers jede Kürzung des Landesjugendplans abgelehnt – jetzt wollen CDU und FDP hier Millionen sparen. Der Landesregierung droht eine neue Volksinitiative

VON SUSANNE GANNOTT

Jugendhilfeorganisationen und Landtagsopposition kritisieren die von CDU und FDP beschlossene Kürzung des Landesjugendplans um 21 Millionen auf jetzt nur noch 79 Millionen Euro massiv. „Die Kinder und Jugendlichen erleben einen gigantischen politischen Wortbruch“, schimpft der stellvertretende Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Haus der Offenen Tür NRW (AGOT), Norbert Kozicki. Die Evangelische Landesarbeitsgemeinschaft Offene Türen erklärte, mit den Sparplänen „drohen weitere Schließungen offener Kinder- und Jugendeinrichtungen“. Daher sei eine neue Volksinitiative „nicht ausgeschlossen“, so AGOT-Geschäftsführer Bernd Opitz zur taz.

Eine Kürzung des Landesjugendplans von 96,5 Millionen auf 79 Millionen Euro hatte im Januar 2004 auch die vorherige rot-grüne Landesregierung beschlossen. Darauf startete die AGOT eine Volksinitiative und sammelte binnen kürzester Zeit 175.000 Unterschriften – worauf der Landtag tatsächlich eine Rücknahme der Kürzungen ab 2006 beschloss. Der damalige Oppositionsführer Jürgen Rüttgers (CDU) machte sich zum Sprachrohr der Protestbewegung und lobte die Volksinitiative als „deutliches Zeichen des Widerstands gegen die rot-grüne Kahlschlags-Politik“. Ausgerechnet bei der Kinder- und Jugendhilfe zu kürzen, zeige „die Konzeptionslosigkeit der Landesregierung“, sagte Rüttgers damals.

Inzwischen sind die Rollen von Regierung und Opposition getauscht, CDU und FDP haben für alle Haushaltsbereiche eine Sparvorgabe von 20 Prozent gemacht. Von Kürzungen im Jugendbereich will man trotzdem nicht reden. „Wir kürzen nicht, wir machen die Erhöhung wieder rückgängig“, erklärt Stephanie Hagelüken, Sprecherin von CDU-Finanzminister Helmut Linssen.

Umso deutlichere Worte findet die neue Opposition. „Schwarz-Geld zerstört die Balance in diesem Land“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Gisela Walsken. Von einem „doppelten Wortbruch“ spricht Andrea Asch, jugendpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion. Nicht nur im Wahlkampf, auch in seiner Regierungserklärung habe Rüttgers versprochen, dass bei ihm „Kinder- und Jugendpolitik ganz oben“ auf der Agenda stehen werde. Jetzt praktiziere er das glatte Gegenteil: Bei den Kitas solle gespart werden, bei der Familienpolitik passiere nichts und von den Kürzungen beim Landesjugendplan seien nicht nur die Offenen Türen, sondern auch die Jugendberufshilfe betroffen. „Das ist gerade angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit und zunehmenden Perspektivlosigkeit der völlig falsche Ansatz“, so Asch.

Auch die AGOT befürchtet für die künftige Arbeit der Offenen Jugendeinrichtungen unabsehbare Folgen. Ohne die gesetzlich garantierten Fördermittel sei ein „weiteres Einrichtungssterben“ nicht auszuschließen. Wie die Offenen Jugendeinrichtungen auf die Regierungspläne reagieren werden, hänge auch von der FDP ab. Der kleine Koalitionspartner habe für heute Abend zum jugendpolitischen Forum eingeladen, erklärt AGOT-Geschäftsführer Opitz. Sein stellvertretender Vorsitzender Kozicki winkt bereits mit dem Zaunpfahl: „Nach der Volksinitiative ist vor der Volksinitiative.“