Schöner Scheitern

Eine facettenreiche Kulturgeschichte des Misserfolgs: Christiane Zschirnt zu Gast im Literaturzentrum

Heiter scheitern, das scheint schwer möglich, aber besser scheitern, das könnte man ja mal probieren. Zum Beispiel auf der Kampnagel-Bühne, in der „Show des Scheiterns“ im kommenden Januar: Eine Ihrer großen Ideen ist nicht aufgegangen? Ein Werk unvollendet geblieben? Dann sind Sie dort richtig. Was seltsam klingt, hegt sympathische Absichten: das Scheitern von der Scham zu befreien.

Das ist auch das Anliegen der Autorin Christiane Zschirnt, die jetzt Gast im Literaturzentrum ist und mit ihrem Buch Keine Sorge, wird schon schiefgehen möglicherweise einen Nerv trifft: Zschirnt streitet für eine Kultur des Scheiterns, die die Niederlage nicht tabuisiert.

Das Buch setzt auf die Kenntnis vergangener kultureller Konzepte vom Scheitern, um dessen moderne Erscheinungsform angstfreier betrachten zu können. Herausgekommen ist eine flüssig geschriebene, gut verständliche Kulturgeschichte des Scheiterns – und nicht etwa ein Psychoratgeber, wie der irreführende Untertitel es verheißt: „Von der Erfahrung des Scheiterns – und der Kunst, damit umzugehen“.

„Scheitern ist die Erfahrung von Modernität in Biographien“, das ist eine Kernaussage von Zschirnt, die immer wieder betont, dass es noch nie so leicht war, zu scheitern, wie heute. Wo angeblich alles möglich scheint, beginnt die Furcht vorm Scheitern schon im Treffen einer Entscheidung. Und die viel zitierte Komplexität macht eine alles voraus sehende Planung in allen Lebensbereichen zur Illusion.

Zschirnt reist durch die Zeiten und Epochen: Mittelalter, Renaissance, Aufklärung, das aufkommende Industriezeitalter. Mit den Vorstellungen von der Rolle des Menschen in der Gesellschaft änderten sich auch die Parameter für das, was ein Scheitern ausmachte, waren die Konsequenzen verschiedene.

Literarische Figuren scheiterten exemplarisch: Ödipus, Hamlet, Don Quijote – allesamt Spiegelungen ihrer Zeit. Genau wie die realen großen Erfolgsgeschichten, Benjamin Franklin oder John D. Rockefeller. Die Bohemiens erhoben das Scheitern zum Lebensstil. Chaplin wurde es zum komisch-tragischen Ausdruck des Menschen in einer sich rasant verändernden Welt.

Kann uns aber die Kenntnis von diesem Kaleidoskop des Scheiterns tatsächlich helfen, unser eigenes Scheitern souveräner zu handhaben, wie es sich die Autorin erhofft? Wenn es sich um das umwälzende Scheitern handelt, das uns an den Rand unserer Selbst bringt, dann ist „besser Scheitern“ auch nur wieder eine Floskel. Das Buch befördert eine offenere Kultur des Scheiterns indem es selbst facettenreich vom Scheitern erzählt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Carola Ebeling

Christiane Zschirnt: Keine Sorge, wird schon schiefgehen. München 2005, 250 S., 18 EuroLesung: Mi, 14.12., 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38