Es ist angerichtet

Revolution mit Häppchen: Olympisches Komitee und Sportbund fusionieren zum Olympiasportbund

KÖLN taz ■ Einmal war es noch so wie immer in der deutschen Sportverwaltung. Am Samstagvormittag kamen die wichtigsten Funktionäre im Saal Heumarkt II des Kölner Maritim-Hotels zur Vollversammlung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) zusammen. Nachmittags, ein paar Lachsschnittchen und Schnitzel später, saßen die gleichen Damen und Herren vor den gleichen Namensschildern, nun aber im gegenüberliegenden Saal Maritim I – ausgewiesen als Delegierte des Bundestags des Deutschen Sportbunds (DSB). Um dort den exakt selben Beschluss zur Fusion im deutschen Sport zu fassen. Das war eine bizarre Szenerie, die die Notwendigkeit der nun beschlossenen Fusion der deutschen Spitzensportverbände zum Deutschen Olympischen Sportbund (DSOB) bestens beschrieb. Am 20. Mai 2006 wird sich der neue Dachverband in Frankfurt am Main konstituieren.

Da es um den großen Sport ging, war auch Pathos im Spiel. Nachdem das NOK nach turbulenter Debatte mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit zugestimmt hatte, sprachen alle Beteiligten von einer „historischen Stunde“. DSB-Präsident Manfred von Richthofen sprach gar von einer „revolutionären Entscheidung“. Das deutsche Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, wollte ein Signal an die Gesellschaft erkannt haben, „dass der deutsche Sport doch zu Erneuerung und Reformen fähig ist und nicht im Sumpf der verschiedenen Interessengruppen versinkt“. Als danach auch der DSB-Bundestag mit großer Mehrheit (über 93 Prozent) für die Fusion votierte, stand fest: Der deutsche Sport hat sein Zentralkomitee.

Enthemmte Jubelstürme waren nicht zu beobachten, sondern Erleichterung. Fast wäre die Verschlankung der Sportstrukturen, die Otto Schily nach Athen mit Vehemenz angemahnt hatte, am Widerstand des NOK gescheitert. Ein Dutzend Redner warben in der NOK-Vollversammlung um Stimmen, darunter mehrheitlich Befürworter wie Fußballpräsident Theo Zwanziger. Erklärte Fusionsgegner wie Walther Tröger, der in den Tagen vor Köln eine „Atmosphäre von Unsicherheit und Unterdrückung“ ausgemacht hatte, brachten die Mehrheit noch ins Wanken. Als auf Antrag des ehemaligen NOK-Präsidenten eine geheime Abstimmung beschlossen wurde, wähnten sich die Gegner, die sich aus den Reihen der Wintersportverbände und 33 persönlichen NOK-Mitglieder rekrutierten, am Ziel. Am Ende aber votierten doch 109 der 142 Stimmen für den Antrag – nur drei Stimmen (sprich ein Fachverband) weniger, und die Blamage wäre perfekt gewesen. Von einer „hochdemokratischen Entscheidung“ fabulierte hernach NOK-Präsident Klaus Steinbach. Und der eigens eingeflogene Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen Bundestags, Peter Danckert, sprach nach dem knappen Ergebnis das aus, was alle dachten: „Es wäre ein fatales Signal gewesen, wenn sich der Sport nicht als reformfähig erwiesen hätte.“

Die Mehrheit im NOK wackelte, weil der olympische Spitzensport die Ziele des Zusammenschlusses verwässert sahen. „Die Fusion ist als Königstiger gestartet und als Bettvorleger geendet“, kritisierte Handball-Präsident Ulrich Strombach die vielen Kompromisse, die von den Landessportbünden als Vertretern des Breitensports zuvor durchgesetzt worden waren. Dass „allein das Dach neu vermessen und künftig aus einem Guss präsentiert werden“ soll, wie Richthofen ankündigte, ist den Leistungssportvertretern zu wenig. Sie wollen schnellere Entscheidungen und effektivere Strukturen. ERIK EGGERS