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: Schiedliche Trennung im Trend

Warum es in der Bundesliga viel weniger Heimsiege gibt und insgesamt mehr Unentschieden

Neulich noch (siehe taz-Bericht vom 1. Oktober) mussten wir von unheimlicher Heimtücke im Europapokal Bericht ablegen: Da wünschen sich alle immer das Rückspiel zu Hause – weil man da alles klar machen könne etc. Und was ist aufm Platz? Da kamen in der ersten Uefa-Cup-Hauptrunde nur 13 von 40 solcher Teams weiter. Den Spieß wirklich umgebogen hatten nur 3 von 40. Das waren übrigens genauso viele, die nach einer Heimniederlage in der Fremde spektakulär triumphierten.

Jetzt stellen wir gar nicht mehr überrascht fest: Auch in der Liga macht sich eklatante Heimschwäche breit. Am Samstag gab es nur drei – zudem knappe – Erfolge der Gastgeber, insgesamt macht das nach 16 Spieltagen: 61 Heimsiege, 45 Remis und 37 Gästetriumphe. Das sind schlappe 42,6 Prozent Heimsiege. An den letzten 16 Spieltagen der vergangenen Saison war das mit 75 Heimsiegen in 144 Spielen noch auffallend anders – 52,1 Prozent. In der 2. Liga ist die Tendenz 2005/06 übrigens bislang ähnlich: 64/32/40.

Es liegt nicht an den Toren: Deren Zahl blieb mit 2,7 pro Spiel gleich. Woran dann? Ob sich abgebrühtere Spieler nicht mehr so leicht verunsichern lassen durch Gebrüll in der Fremde? Triumphiert intelligentes Konterspiel über Heimwucht? Vielleicht ist es das: Wo mehr Event-orientiertes Mittelschichtpublikum in die Stadien kommt als Anhänger alten Schlages mit bedingungsloser Vereinsliebe, wird Enttäuschung schneller artikuliert. Je größer die Erwartung, desto schlimmer wird die Realität empfunden. Bestes Beispiel – neben den notorischen Heimverlierern des TSV 1860 München in Liga zwei – ist Kaiserslautern: Die gefürchtete Bastion nennt Lauterns neuer Übungsleiter Wolfgang Wolf „Klotz Betzenberg“ – wegen der aggressiven Stimmung gegen die eigene Elf.

Der Trend zur Heimschwäche passt zu einer großen Remis-Renaissance (45 statt im Vorjahr 27). Das hat Folgen, etwa bei den seit Hoyzer so beliebten Wetten: Wer bei Betandwin alle bisherigen Bundesligaspiele remis getippt hätte, wäre schon im Plus. Wer zudem die Heimspiele der großen drei (Bayern, Werder, HSV), auch wenn sie deutlich höher quotiert sind als die durchschnittlichen 34 für 10, weggelassen hätte, läge locker bei 15 Prozent Rendite in vier Monaten.

Übrigens: Bei Heimschwäche ist auch Anti-Trainer-Gebrüll garantiert. Und siehe da: Vier der fünf Trainer bislang wurden nach Heimspielen entlassen, Klaus Augenthaler in Leverkusen sogar nach dem erfolglosen Doppel gegen Schalke und Sofia.

Fußballfans müssen also umlernen. Sie skandieren bald schon „Heimerfolg, Heimerfolg“ statt des abgehalfterten „Auswärtssieg“. Herberger würde sagen: Der schwerste Gegner ist immer der nächste daheim.

BERND MÜLLENDER