Berliner Szenen: Petersilie, Mann!
Sie lassen sich die Finger abbeißen, wissen nicht, was man auf Bolognese rauflegt und wie man Regenmäntel verkauft: Kinder.
N eben uns im Bus sitzt eine Mutter mit ihrem Kind, beide ziehen aneinander rum. Das Kind will irgendwas und rutscht immer wieder von seinem Sitz runter, die Mutter zieht es immer wieder hoch, das Kind findet das ziemlich witzig. „Ich schwöre dir“, sagt die Mutter, „ich beiß dir jeden Finger einzeln ab.“ „Krahaha“, lacht das Kind, „bist du ein Menschenfressaaa?“, und rutscht wieder runter.
Zwei Jungs mit Schultaschen steigen ein, vielleicht acht Jahre alt. Sie bleiben auf dem Gang stehen und reden irgendwas über Fußball. Wer auf jeden Fall Weltmeister wird und wer auf jeden Fall gar nicht.
Irgendwann fragt einer von beiden den anderen: „Was hast du heute gegessen?“ – „Wieso?“, fragt der andere zurück. – „Was Grünes“, sagt der erste. – „Nee.“ – „Doch. Spinat oder so.“ – „Nee, Mann. Bolognese.“ – „Und wieso hast du dann was Grünes zwischen den Zähnen?“ – „Petersilie, Mann.“ – „Was?“ – „Petersilie.“ – „Ja, was ist das.“ – „Petersilie, Mann, kennst du nicht Petersilie?“ – „Nö. Was ist das?“ – „Das legt man auf Bolognese rauf.“ – „Kenn ich nicht.“
M. und ich gucken uns an, wir müssen lachen und M. flüstert: „Petersilie, Mann, kennst du nicht Petersilie?“Wir steigen aus dem Bus aus, die Sonne knallt, es ist Sommer, aber so richtig. Ich sage zu M., dass ich Petersilie an der Beschreibung „das legt man auf Bolognese rauf“ vielleicht auch nicht erkennen würde.
Wir laufen die Straße lang, vor dem Eisladen haben Kinder auf einer Decke Spielsachen und Klamotten ausgebreitet, um sie zu verkaufen. Die Eltern sitzen dahinter auf einer Bank, sie haben einen Sonnenschirm aufgestellt.
Es ist der heißeste Tag seit Wochen, keine Wolke weit und breit. „Guten Tag“, sagt eines der Kinder zu M. und mir, „brauchen Sie vielleicht einen Regenmantel?“ Ich sage „Nein, danke schön“, wir laufen weiter. M. lacht und schüttelt den Kopf. „Kinder! Sie sind so dämlich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!