Al-Masri auf allen Parlamentskanälen

Diese Woche diskutieren alle denkbaren Bundestagsgremien die Verschleppung des deutschen Staatsbürgers durch die CIA. Großkoalitionäre setzen auf Aufklärung im Geheimen. Linkspartei und FDP verlangen Untersuchungsausschuss

BERLIN dpa/taz ■ Haben deutsche Behörden die CIA bei der Entführung von Khaled al-Masri unterstützt? Neue Aussagen des Silvester 2003/2004 vom US-Geheimdienst verschleppten und misshandelten deutschen Staatsbürgers über einen deutschsprachigen Geheimdienstmitarbeiter namens „Sam“ haben am Wochenende die Diskussion über diese Frage angeheizt.

Al-Masri, der 2004 fünf Monate lang in Afghanistan festgehalten wurde, wurde zum Ende dieser Zeit von „Sam“ befragt. Dieser redete mit al-Masri vor allem über dessen Heimatstadt Neu-Ulm. Die Behandlung sei mit dem Auftauchen von „Sam“ besser geworden – und 14 Tage später kam der Gefangene frei. Al-Masri, als Sohn libanesischer Eltern in Kuweit geboren und seit 1995 deutscher Staatsbürger, erklärte der Süddeutschen Zeitung: „Er war hundertprozentig ein Deutscher. Er hatte einen norddeutschen Akzent. Kein Hauch von amerikanischem Dialekt.“

Die Bundesregierung verwehrt sich allerdings strikt dagegen, mit der Entführung al-Masris etwas zu tun zu haben. „Die anonyme Behauptung, deutsche Stellen seien an der Verschleppung al-Masris beteiligt, ist empörend und unverantwortlich“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der 2004 Kanzleramtschef und zuständig für die Geheimdienste war.

Unterstützt wurde Steinmeier durch den neuen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der erklärte: Er sehe „bei Berücksichtigung aller mir vorliegenden Informationen“ zum Fall al-Masri „derzeit“ keinerlei Anhaltspunkt für irgendwelche Verstöße durch „Mitglieder der Bundesregierung und anderer Verantwortlicher in Deutschland“. Auch Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) mahnte gestern beim Thema al-Masri und CIA-Entführungen zur Zurückhaltung. Er nahm Steinmeier in Schutz: Die Diskussion laufe „unter zum Teil parteipolitischen Gesichtspunkten“.

Dies dürfte in der heute beginnenden Sitzungswoche des Parlaments unausweichlich bleiben – die Frage ist nur, bis zu welchem Grad die Akteure der großen Koalition sich gegenseitig schonen. Die Regierung möchte am liebsten die ganze Sache nur im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) verhandeln und gegebenenfalls im Anschluss die Öffentlichkeit informieren. Das PKG ist die neunköpfige Kommission von Abgeordneten, die sich mit den Aktivitäten der Geheimdienste befasst – geheim. Angeblich soll das PKG sich zuletzt im Februar dieses Jahres mit al-Masri beschäftigt haben und auch am kommenden Mittwoch wieder tagen. Geladen sei neben Steinmeier auch der ehemalige Innenminister Otto Schily (SPD), heißt es.

Gleichzeitig wollen sich diese Woche jedoch auch der Innen-, der Rechts- und der Auswärtige Ausschuss sowie der Ausschuss für Menschenrechte mit dem Fall al-Masri befassen und haben dazu die zuständigen Minister geladen. Im Bundestag wird es eine „aktuelle Stunde“ zum Thema geben. Diese Gelegenheiten werden FDP und Linkspartei dazu nutzen, einen Untersuchungsausschuss zu fordern. Der Linksfraktions-Chef Oskar Lafontaine erklärte bereits, vor einem solchen Gremium gebe es „einen gewissen Druck, die Wahrheit zu sagen“.

Die Grünen halten sich dagegen eher bedeckt. Ihnen soll der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer zwar erklärt haben, er wisse von nichts. Doch ganz sicher sind sie sich offenbar nicht. „Wir gehen Schritt für Schritt vor“, sagte der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer dem Handelsblatt. Zur Beantragung eines Untersuchungsausschusses braucht es 25 Prozent der Abgeordneten – die bekommen die Oppositionsparteien allerdings nur zu dritt zusammen. UWI