Spur durch Routine

Das Landgericht verhandelt über den Mord an der Studentin Helga Roberts vor 20 Jahren. Belastendes Indiz: eine DNA-Spur. Beschuldigter schweigt

„Es gab eine Übereinstimmung – es war ein Volltreffer“: Fahnder Stockmann

Von Kai von Appen

„Warum hat man so lange gewartet“, fragt Geoffrey Roberts gestern mit verbitterter Stimme das Gericht, das gerade zusammengetreten ist, um über den Mord an seiner Tochter Helga vor nunmehr fast 20 Jahren zu verhandeln. Der ältere Herr ist mit seinen beiden Söhnen aus England angereist, um als Nebenkläger dem heute 41-jährigen Beschuldigten Uwe H. ins Gesicht zu schauen – wohlwissend, dass das Verfahren ein reiner Indizienprozess werden dürfte. Denn der vermeintliche Täter, dem die Staatsanwaltschaft eine „erheblich verminderte Schuldfähigkeit“ zugesteht, schweigt.

„Es gab damals noch nicht die Möglichkeit einer DNA-Analyse“, versucht Richter Claus Rabe den langen Zeitraum zwischen Tat und Prozess zu erklären. Dass es überhaupt noch zu einem Verfahren kommt, ist einer routinemäßigen Nachprüfung zu verdanken: Im Jahr 2000 bekommt der Kripobeamte Stefan Stockmann von der Hamburger Mordkommission einen Stapel alter Akten auf den Tisch, um diese ungelösten Fälle auf neue Ansätze zu prüfen.

Darunter ist auch der Fall der 22-jährigen Austauschstudentin Helga Roberts, die am 9. März 1986 im Schanzenpark vergewaltigt und ermordet worden war. Roberts war in jener Nacht zu Sonntag in den Discos „Kaiserkeller“ und „Große Freiheit 36“ auf Piste gewesen. Gegen 6.30 Uhr war sie vom Bahnhof Sternschanze auf dem Heimweg, wo sie nahe des Wasserturms in der Schröderstiftstraße wohnte. Auf dem Fußweg an den Bahngleisen muss sie in Höhe des Kindertagesheims auf ihren Mörder gestoßen sein – nach den Ermittlungen wohl rein zufällig.

Er muss Helga Roberts gepackt und in den Waschraum im Keller des Heims gezerrt haben. Dort fesselte er ihr die Hände mit einem Schlips und einem Tuch, vergewaltigte und strangulierte sie. Bei seiner Flucht durch ein Fenster löste er den Alarm aus, so dass die Polizei schnell vor Ort war und die leblose Frau auffand. Trotz sofortiger Reanimation starb sie am nächsten Tag.

Die Tatortspuren brachten die Ermittler seinerzeit nicht sehr weit. Selbst die Blutspuren an den Kleidungsstücken reichten nicht aus, einen Verdächtigen zu überführen, wenn es damals einen gegeben hätte. Spermaspuren waren nicht vorhanden, die Fußspuren durch einsetzenden Schneefall vernichtet.

Stockmann ließ bei seinen neuen Ermittlungen die in der Asservatenkammer gelagerten Tatortspuren neu analysieren. Dabei konnten Hautpartikel unter Roberts‘ Fingernägeln, die 1986 nicht einmal zur Blutgruppenbestimmung ausreichten, einer DNA-Analyse unterzogen. „Diese Datenprobe habe ich dann in die DNA-Datenbank des Bundeskriminalamtes eingegeben“, berichtet Stockmann, „es gab eine Übereinstimmung – es war ein Volltreffer.“

Die Daten stimmten mit den genetischen Merkmalen von Uwe H. überein, dessen DNA seit seiner wiederholten Verurteilung wegen sexualisierter Gewalt an Kindern 1998 in der Datenbank gespeichert waren. Und H. wohnte nur unweit des Tatortes in der Weidenallee.

Als Stockmann 2003 H. mit dem bösen Verdacht konfrontierte – er befindet sich in Sicherungsverwahrung im Klinikum Nord – habe dieser spontan die Tat bestritten: „Mit Mord habe ich nichts zu tun“, habe er beteuert, sei dabei jedoch zitternd und mit Schweißperlen auf der Stirn sichtlich aufgeregt gewesen. Eine Speichelprobe habe er sich laut Stockmann bereitwillig abnehmen lassen.

Ob dies entlastend wirkt, wird der Prozessfortgang zeigen.