Blick in die Augen

Zwei Tage nach Ralf Rangnicks Ehrenrunde feuert Schalke 04 seinen Trainer. Nun gilt Huub Stevens als erster Anwärter auf die Nachfolge. Sein Vorteil: Er ist mit Manager Rudi Assauer befreundet

AUS GELSENKIRCHEN DANIEL THEWELEIT

Es wäre ein kleines Wunder gewesen, wenn die Herren Ralf Rangnick und Rudi Assauer so professionell gewesen wären, ihre tiefen gegenseitigen Aversionen noch für eine Woche beiseite zu schieben und dieses für Schalke 04 durchaus erfolgreiche Jahr gemeinsam zu beenden. Doch so viel Professionalität ist definitiv zu viel verlangt von dem Klub, der in diesen Tagen stark an seine wildesten Chaostage der 80er-Jahre erinnert. Nach dem Drama vom Samstag, mit Rangnicks provokanter Abschiedsrunde vor dem Spiel und demonstrativer Empörung als Reaktion auf Klubseite, hat sich der Vorstand gestern einstimmig entschieden, keinen Tag länger mit Rangnick zusammenzuarbeiten. „Diese Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten, wir waren zum Handeln gezwungen“, sagte Teammanager Andreas Müller, der das Wort führte, als am gestrigen Montag Rangnicks Beurlaubung bekannt gegeben wurde.

Der Rauswurf sei das „Ergebnis von Ralfs Verhalten vom Samstag gewesen“ (taz vom Montag), fuhr Müller fort, allerdings gab es offenbar weitere Gründe für die Trennung als die tiefe Abneigung zwischen dem entlassenen Trainer und Teilen des Vorstandes. Auf die Frage, ob die Klubführung die Mannschaft um ihre Meinung gebeten habe, antwortete Müller: „Ich habe den Spielern in die Augen geschaut, danach war mir klar, was los ist.“ Rangnick hatte am Samstag noch vehement bestritten, Probleme mit dem Team zu haben. Die in den vergangenen Wochen gezeigten Leistungen sprechen in dieser Kontroverse eher für die Version des Entlassenen.

Neben der Frage der sportlichen Perspektive ging es dem Vorstand mit der schnellen Entscheidung indes auch darum, das nach dem Wochenende ramponierte Bild des Klubs in der Öffentlichkeit zu restaurieren. Rudi Assauer, am Samstag noch großer Protagonist, präsentierte sich demonstrativ zurückhaltend. Subtext seiner einsilbigen Antworten war, dass die ganze Trennung nichts mit der zwischenmenschlichen Seite seines Verhältnisses zu Rangnick zu tun habe. „Ich habe mich aus dem Sportlichen doch sowieso mehr und mehr rausgehalten“, argumentierte er. Sehr überzeugend war das nicht, und um die Bedeutungslosigkeit seiner persönlichen Empfindungen zu untermauern, schloss er noch nicht einmal eine Verpflichtung Christoph Daums aus, mit dem ihn ebenfalls eine tiefe Antipathie verbindet. „Es war noch nie so, dass es wichtig war, ob mir ein Trainer sympathisch ist“, beantwortete er die Frage nach dem Fast-Bundestrainer in Diensten von Fenerbahce Istanbul.

Dass Daum auf Rangnick folgt, ist dennoch höchst unwahrscheinlich. Sicher ist hingegen, dass Torwarttrainer Oliver Reck am Samstag in Stuttgart auf der Schalker Bank sitzt. Weitere Spekulationen kommentiere der Klub nicht, sagte Müller, allerdings suche man einen Trainer, der längerfristig bleibt. Eine Notlösung bis Saisonende stehe nicht zur Debatte.

Der Blick richtet sich daher auf Matthias Sammer und Ottmar Hitzfeld, denn sie sind die einzigen deutschen Trainer auf dem Markt, die auf Erfahrungen in der Champions League verweisen können. Dort sehen die Schalker ihre Zukunft. Sammer ist jedoch als eine Art Dortmunder Urgestein nicht ohne weiteres kompatibel mit dem Erzfeind Schalke, und ob Hitzfeld sich auf eine Zusammenarbeit mit dieser heterogenen Klubführung einlassen würde, ist höchst fraglich. Aussichtsreichster Anwärter könnte deshalb Huub Stevens sein, der bei Roda Kerkrade eine Ausstiegsklausel besitzen soll, bei den Schalker Fans immer noch sehr beliebt – und freundschaftlich mit Assauer verbunden ist. Sportlich wäre eine Zusammenarbeit mit Stevens aber ein gewagtes Experiment, wenn nicht gar ein Rückschritt. Man erinnere sich nur, welch anachronistischen Fußball Stevens zuletzt in Köln praktizieren ließ.

Bis der neue Trainer gefunden ist, hinterlässt das Dramolett nun vor allem ein dickes Ausrufezeichen: Rudi Assauer ist der unangefochtene Chef des Ladens, seine Art der Führung bleibt stilprägend. Aufsichtsratschef Clemens Tönnies hat seine Machtlosigkeit demonstriert, als er Rangnick vor nicht mal einer Woche eine Vertragsverlängerung bis 2008 in Aussicht stellte, Müller hat seine Nähe zu Rangnick geopfert, um seine Position als Kronprinz auf Assauers Fürstenthron nicht zu gefährden.