: Ein Kfz-Mechaniker spricht

„Ich möchte nie so autokrank werden wie einige Kunden, man darf seine Freiheit nicht vom Auto abhängig machen“

Mit einem Lächeln begrüßte er mich in seiner Reparaturgarage an der Schöneberger Straße 22 in Berlin. „Ich bin von der taz“, sagte ich. „Oh ja, ich habe dich schon erwartet“, war seine Antwort. „Wie du siehst, haben wir hier keine modernen Geräte wie die anderen Reparaturwerkstätten heutzutage“, erklärte er mir sogleich, „deswegen gehören wir zu der im Deutschen so genannten Dritte-Klasse-Kategorie. Das Gute daran ist jedoch, dass wir für unsere Kunden bezahlbar bleiben. Die Arbeitsstunde kostet bei uns nicht 60, sondern zwischen 20 und 30 Euro. Die meisten unserer Kunden sind eher Geringverdienende, die ihr Auto bisweilen sogar auf Kredit reparieren lassen wollen. Wegen einiger allzu schräger Kunden haben wir jetzt unseren Kreditrahmen eingeschränkt, um nicht Pleite zu gehen. Früher haben mich neue Kunden nicht selten erst mal gefragt: ‚Wo ist der Chef?‘ Die habe ich dann an unser Büro verwiesen, wo man sie wieder zu mir geschickt hat. Das sind Kunden, die sich nicht vorstellen können, dass ein schwarzer Mann ein Auto reparieren kann. Wir haben aber keinen Chef. Wir arbeiten hier autonom – jedoch im Kollektiv.“ Das waren die Worte des Kfz-Mechanikers Augustine Thullah, der ca. 48 Jahre alt ist, aus Sierra Leone stammt und seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebt.

taz: „Erzähl mir bitte noch etwas mehr über dich. Bist du verheiratet? Hast du Kinder? Wie war dein beruflicher Werdegang?“

„Also … nach meinem Abitur habe ich in Freetown, unserer Hauptstadt, als Fernmeldemechaniker gearbeitet. Das hat mir ein Stipendium in Budapest verschafft. Dort habe ich Kfz-Mechanik studiert. Und auf einer Urlaubsreise habe ich dann Westberlin kennen gelernt. Das soziale Leben fand ich sehr interessant, besonders die Nachtclubs und Motown-Diskos. Damals gab es noch sehr viele amerikanische Soldaten und es hat mir gut getan, andere Schwarze zu sehen und kennen zu lernen. Später habe ich hier ein zweites Mal geheiratet, wir haben jetzt zwei Kinder.“

taz: „Kannst du mir sagen, wie der Verein SSB und die Kfz-Werkstatt funktionieren?“

„Wir sind autonome Mechaniker, qualifizierte Leute, die einer Organisation angehören. Oder anders gesagt: Wir sind alle Chefs, die beim Verein Sozialpädagogische Sondermaßnahmen Berlin angestellt sind. Unsere Werkstatt ist das größte derartige Kollektiv in Deutschland. Es wurde 1977 gegründet, bevor ich nach Berlin kam. Jedes Kollektivmitglied hat seine eigene Werkstatt. Aber wenn du dich umguckst, dann siehst du hier auch Leute arbeiten, die keine Vereinsmitglieder sind. Sie haben eine Garage gemietet und zahlen dem Verein was dafür. Ich bin stolz darauf, Mitglied in der Kollektivwerkstatt zu sein. Ich fühle mich hier akzeptiert und von den anderen Mitgliedern respektiert.“

taz: „Erzähle mir doch bitte noch was über die Deutschen und ihr Verhältnis zu Autos.“

„Es gibt regelrechte Autokranke in Deutschland, die sich ohne ihren Pkw nicht mehr bewegen können. Wenn sie ihr Auto in der Werkstatt lassen müssen, fragen mich solche Typen, ob ich sie nicht zur U-Bahn fahren kann, obwohl die nächste Station nur 200 Meter entfernt ist. Manche bitten mich auch, sie morgens zur Arbeit zu fahren und abends mit ihrem reparierten Auto wieder abzuholen. Ich möchte nie so autokrank werden, man darf seine Freiheit nicht vom Auto abhängig machen.“

taz: „Läuft euer Geschäft gut?“

„Ich kann mich nicht beklagen, aber die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands spüren auch wir. Zum Ausgleich ergänze ich mein Einkommen mit Schauspielerei. Bisher habe ich in acht Filmen mitgespielt, unter anderem für das ZDF. Unser neuer Film wird gerade geschnitten, wir haben Teile davon in der Türkei und in Afrika gedreht.“

taz: „Es gibt etwa fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland und immer mehr Leute machen sich Sorgen um ihre Rente …“

„Ich auch, deswegen habe ich mehrere private Rentenversicherungen abgeschlossen, für mich und meine Kinder. Als Geschäftsmann muss man so etwas mitplanen, und ich halte das auch für sinnvoller, als darauf zu drängen, dass die Regierung alles für einen tut.“

taz: „Du hast zwei Kinder, was hältst du, als jemand, der in Afrika aufgewachsen ist, von der Art und Weise, wie hier die Kinder groß werden?“

„Erstens muss ich sagen, es ist eine unglaubliche Erleichterung, dass meine Kinder hier einfach so zur Schule gehen können. In Sierra Leone waren meine Eltern oft kaum in der Lage, die Schulgebühren für mich zu zahlen. Andererseits bereiten die Schulkinder hier ihren Eltern ganz andere Kosten. Es ist kaum zu fassen, aber mein Sohn weigerte sich bereits als 13-Jähriger, in Klamotten von Woolworth zur Schule zu gehen. Seine Schuhe mussten unbedingt von Nike sein und ein Handy wollte er auch haben. Ich bin davon überzeugt, dass es in den Schulen an Disziplin fehlt und dass deswegen die Kinder immer mehr Blödsinn machen.“

BUSHDOCTOR TRUTH-SEEKER