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Ein Dezentralisierungsvorschlag mit 23 Gemeinden wirkt zunächst einmal provozierend und fast schon absurd.ZentralistInnen und DurchregiererInnen haben einen Punkt, der zum Draufhauen einlädt.Dies lenkt aber vom Thema ab: Es geht weniger um die Zahl der Bezirke als um ihre Stellung im Verhältnis zur Landesregierung (Senat). Nein, MehrDemokratie (MD)will keinen „Stadtstaat in 23 Teilen … durchsetzen“ , sondern die Bezirke i.S.v. Art. 28 GG dahingehend stärken „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung ... regeln“ zu können. Die sieben Bezirke haben z.Z. keinerlei Gemeinderechte. Der Senat kann jede Entscheidung eines Bezirksamt, einer Bezirksversammlung und jeden Bürgerentscheid ignorieren sowie Gegenteiliges anweisen – und hat dies zum Verdruss mancher BezirkspolitikerInnen und vieler engagierter BürgerInnen zu oft auch getan. Wer diese Allmacht des Senats verbindlich einschränken will, kommt um Verfassungsänderungen nicht herum. Welche das im Detail sein sollen, hat MD genau so wenig inhaltlich entschieden wie die Frage, aus wie vielen Einheiten die kommunale Ebene bestehen soll. Der in Rede stehende Vorschlag ist nämlich nicht die Vorlage für eine Volksinitiative, sondern nur ein Arbeitspapier. Die Mitgliederversammlung von MD hat es nicht inhaltlich beraten, sondern den Landesvorstand beauftragt, einen Trägerkreis zu bilden, dort den vorliegenden Gesetzentwurf als Diskussionsvorlage einzubringen und eine Volksinitiative vorzubereiten. Er ist ein Angebot an alle, die die Bezirke wirklich stärken wollen, sich zusammen zu setzen und den Entwurf so zu überarbeiten, dass er alles enthält, was notwendig ist, um dem Subsidiaritätsprinzip zur Geltung zu verhelfen, ohne die gesamtstädtischen Interessen zu beeinträchtigen. Alles kann und soll diskutiert werden – auch und insbesondere die Frage, wie viele Bezirke welchen Zuschnitts es geben soll.
Die Demo am Einheitstag in Berlin hat erneut gezeigt: Diejenigen, die dort nach Frieden riefen, meinen etwas ganz anderes – die Kapitulation der Ukraine.
Kommentar: Aus Hamburg wird Humbug
DIE PLÄNE VON MEHR DEMOKRATIE
Humbug ist ein sehr hübsches Wort für einen leider nicht so hübschen Vorgang. Der Vorschlag von „Mehr Demokratie“, aus dem Stadtstaat Hamburg 23 Teile zu machen, verdient sich dieses Prädikat redlich. Seine Umsetzung würde kein einziges Problem lösen oder auch nur mildern, aber neue Probleme im Dutzend schaffen. Das Ergebnis wäre nicht mehr Demokratie, sondern mehr Bürokratie. Auf Hamburgisch heißt so was Tünkram.
Es mag ja sein, dass eine Reihe von Menschen an der – realen – Globalisierung und der – gefühlten– Unübersichtlichkeit der Welt so verzweifeln, dass sie wie Schotten oder Katalanen separatistische Gelüste verspüren oder die gute alte D-Mark wieder haben wollen. Der Rückzug in die Gartenzwerg-Idylle indes gaukelt eine Selbstbestimmtheit höchstens vor, schafft sie aber nicht.
In der Kleinstaaterei würden neue Radwege an kommunalen Grenzen enden oder gar nicht erst gebaut. Neue Flüchtlingsunterkünfte würden von St. Florian verhindert. Der Finanzausgleich zwischen Blankenese und Billstedt würde zu fast so heftigen Konflikten führen wie die EU-Milliarden für Griechenland.
Eine Aufteilung Hamburgs in 23 Kommunen schafft zudem erst die doppelten und dreifachen Verwaltungsstrukturen, die eigentlich abgeschafft werden sollen. Zwei Dutzend Bürgermeister, zwei Dutzend Stadtparlamente, zwei Dutzend Fachbehörden sind ein so geniales Arbeitsbeschaffungsprogramm für den öffentlichen Dienst, dass als Urheber eigentlich nur der Beamtenbund in Frage kommen kann.
Er aber ist es nicht, sondern ein Verein, der sich um die direkte Demokratie in Hamburg verdient gemacht hat – und jetzt mit einem Selbstlegitimationsprogramm um seine Existenzberechtigung kämpft. Die direkte Demokratie aber ist eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie, nicht deren Aushebelung durch Stammtisch-Mehrheiten professioneller Querulanten.
„Mehr Demokratie“ ist dabei, mit seiner permanenten Misstrauenserklärung an gewählte VolksvertreterInnen eben die Politik(er)verdrossenheit zu fördern, die der Verein bekämpfen wollte. Und zugleich das eigene Instrumentarium aus neuem Wahlrecht und Volksbegehren zu diskreditieren. „Mehr Demokratie“ ist auf dem Irrweg.
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Sven-Michael Veit
Hamburg-Redakteur
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