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Der Mann von der Cap Arcona DDR 1982, R: Lothar Bellag, D: Erwin Geschonneck, Vít Olmer

Ein erstaunlicher Film, schon durch seine Vorgeschichte. Der Hauptdarsteller Erwin Geschonneck, in der DDR ein herausragender Schauspieler, verfolgte über zwei Jahrzehnte ein Filmprojekt, das den Untergang der „Cap Arcona“ am 3. Mai 1945 darstellen sollte – und damit einen Teil seiner eigenen Lebensgeschichte. 1906 geboren, musste Geschonneck schon mit 14 Jahren zum Lebensunterhalt der armen Arbeiterfamilie beitragen. 1929 trat er in die KPD ein, beteiligte sich an Agitprop-Gruppen, spielte in „Kuhle Wampe“ mit. 1933 floh er aus Deutschland. 1939 wurde er nach dem Einmarsch der Deutschen in der Tschechoslowakei von der SS verhaftet, kam ins KZ Neuengamme. Als die britischen Truppen nahten, wurden 9.000 Häftlinge von dort zur Ostsee getrieben, auf dem manövrierunfähigen Kriegsmarineschiff „Cap Arcona“ zusammengepfercht. Die britische RAF bombardierte die „Cap Arcona“, die gerade genug Treibstoff hatte, um lichterloh zu brennen.

Durch Erwin Geschonneck, als einem der wenigen Überlebenden, bekommt „Der Mann von der Cap Arcona“ eine dokumentarische Eindringlichkeit, obwohl die Handlung inszeniert ist. Der Handlungsrahmen ist handwerklich geschickt angelegt. Geschonneck wird von einem fiktiven Regisseur nach Hamburg eingeladen, um an einer Verfilmung des Untergangs der „Cap Arcona“ mitzuwirken. Die Verhandlungen um den Film im Film sind dramaturgisch durch die zunehmende Skepsis des Überlebenden und Schauspielers gegenüber dem mit Hamburgs Medienschickeria verbandelten Regisseur geprägt. Auch ein laufender NS-Kriegsverbrecher-Prozess mit der westdeutschen Toleranz gegenüber Nazitätern wird in die Handlung eingeflochten, der Überlebende ist dort als unbequemer Zeuge nicht erwünscht, bei den Filmaufnahmen tritt als Experte ein ehemaliger Marineoffizier der „Cap Arcona“ auf, alte Naziseilschaften wirken fort.

Die Verschachtelung der fiktiven Filmproduktion mit den Ereignissen im KZ Neuengamme und auf der „Cap Arcona“ macht den Umgang mit der deutschen Geschichte, die Toleranz gegenüber den Nazis, plastisch. Seine eindringlichsten Momente hat „Der Mann von der Cap Arcona“, wenn Geschonneck über KZ und „Cap Arcona“ spricht. Vor Ort am KZ-Gelände, auf dem sich 1982 noch zwei Haftanstalten in Betrieb befanden – zum Unbehagen des Überlebenden – spricht Geschonneck über die Kinder vom Bullenhuser Damm. Jene 20 jüdischen Kinder, die im April 45 aus dem KZ in die dortige Schule gebracht wurden, um sie zu erhängen und damit die Spuren der an ihnen verbrochenen Menschenversuche mit Seuchenerregern zu beseitigen.GASTON KIRSCHE

Die Arbeitsgemeinschaft Neuengamme zeigt „Der Mann von der Cap Arcona“ in ihrer Reihe „Erinnerung bewahren“. Mit einer Einführung über Erwin Geschonneck: Di, 19 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2, Hamburg