Provenienzen: Irrwege der Kunst
Die Kunsthalle zeigt den Forschungsstand zur Herkunft ihrer im Nationalsozialismus erworbenen Werke.
BREMEN taz | Die Kunsthalle kann sich glücklich schätzen über das Ergebnis ihres Drei-Jahres-Projekts zur Provenienzforschung. Bei einem Drittel der untersuchten Kunstwerke sei die Herkunft lückenlos geklärt und „völlig unbedenklich“. Sie stammen also nicht aus dem Besitz in der NS-Zeit enteigneter JüdInnen oder anderer Opfer des Nationalsozialismus – lediglich ein Gemälde musste bislang restituiert und anschließend neu erworben werden. Die übrigen zwei Drittel eines Konvoluts von 500 als potenziell verdächtig ausgewählten Werken werden noch geprüft.
Doch zunächst sind die bislang erforschten Werke nun zusammen mit ihren „Biografien“, Aufschlüsselung ihrer Vorbesitzer, in einer Ausstellung zu sehen. „Eine Frage der Herkunft: Drei Bremer Sammler und die Wege ihrer Bilder im Nationalsozialismus“ gibt Einblicke in die Arbeitsweise der Forschung – und in die Lücken, die da noch klaffen: „Es gibt noch viel zu tun“, so lautet das nur vorläufige Schlusswort.
Viele der rund 120 Exponate der Ausstellung sind berühmte Arbeiten. Meisterwerke von Max Beckmann, Otto Dix oder Karl Schmidt-Rottluff. Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden hingegen ihre Rückseiten: Einige Gemälde hängen nicht an der Wand, sondern ragen auf Sockeln stehend in den Raum. So lässt sich Ernst Willers’ Ölgemälde „Eiche im Hasbruch“ umrunden: Hinter dieser Waldszene in leuchtend sattem Grün sind auf dem schmucklosen Rahmen Stempel zu entdecken, schief aufgeklebte Etiketten und kryptische Notizen. Vielleicht Katalog-Nummern vergessener Ausstellungen oder Auktionen. Vielleicht aber auch Preise – endgültig zu klären war das nicht. Mit Spuren wie diesen haben sich die Provenienzforscher in den vergangenen Jahren beschäftigt.
Auf vielen Bildern ist der Name Arnold Blome zu lesen. Dem Bremer Kunstsammler und Kunsthändler verdankt die Kunsthalle Hunderte der Werke ihres Bestandes. Seine großzügigen Spenden galten als verdächtig, da Blome auf Zwangsversteigerungen auch auf Kunstwerke aus dem Besitz von JüdInnen geboten hat, die ermordet wurden, oder die ihr Eigentum auf der Flucht in Deutschland zurücklassen mussten. Einige wenige solcher Werke sind auch in der Kunsthalle aufgetaucht. Eine Kreidezeichnung von Giacomo Cavedone wurde etwa den Erben der Enteigneten zurückgegeben und dann erneut von der Kunsthalle gekauft.
Die Verbrechen scheinen Blome nicht sonderlich gekümmert zu haben. Zumindest hat er keine Skrupel geäußert. Dennoch war Blome mehr als ein unmoralischer Geschäftsmann. Er hat sich nicht in erster Linie persönlich an den geraubten Werken bereichert, sondern sie Museen wie der Kunsthalle als Leihgaben zur Verfügung gestellt. Nach dem Tod seiner Frau hat Blome sogar begonnen, seine Sammlung großzügig zu verschenken. Das war ein politischer Akt der Vergesellschaftung.
Solchen Widersprüchen in der Figur des skrupellosen Kunsthändlers nachzugehen, ist das Aufregendste an der Ausstellung. Das gilt neben Blome auch für Heinrich Glosemeyer und Hugo Oelze, deren Beschaffungen ebenfalls geprüft wurden. Die drei Händler sind hier die Hauptfiguren – fast wichtiger noch als die Kunst. Die Exponate sind nach ihren Spendern sortiert, nicht etwa nach Stilrichtung oder Alter.
Blome war nach dem Krieg nicht nur in der Kunstszene Bremens bekannt. Als sein Wohnhaus Vor dem Steintor 25 abgerissen werden sollte, stellte sich Blome quer und verweigerte den Auszug. Die Presse griff den Fall auf und portraitierte den eigenwilligen Besetzer als „Bremer Original“ in seiner Wohnung voller Kunstwerke. Seine umfangreiche Privatsammlung, aber auch eigene Werke.
Denn Blome war selbst Maler. ein sozialistischer dazu, was die ganze Sache noch komplizierter macht. Ein Raum der Ausstellung zeigt rund 30 seiner Arbeiten, die bisher kaum bekannt waren. Er orientierte sich an verschiedenen Avantgarde-Strömungen seiner Zeit, kombinierte Zeichnung mit Schrift und fertigte Collagen aus Werbung und Zeitungsartikeln an: abstrakt, regimekritisch und pazifistisch. Das wurde im Nationalsozialismus nur deshalb nicht als „entartete Kunst“ verfolgt, weil Blome seine Bilder nicht verkauft oder ausgestellt hat.
Allein schon wegen dieser Bilder lohnt sich ein Besuch der Ausstellung. Und weil sich hier eine Forschungsrichtung kennenlernen lässt, die Bremen noch eine ganze Weile beschäftigen dürfte. Denn es geht bereits weiter: 600 Gemälde sollen untersucht und die Zusammenarbeit mit anderen Provenienzforschern soll intensiviert werden. Gerade in der vergangenen Woche hat sich auf einer internen Tagung in der Kunsthalle der Verein „Arbeitskreis Provenienzforschung“ gegründet, um die Professionalisierung der Disziplin zu fördern. Die öffentliche Aufmerksamkeit scheint gesichert: Ein Vortrag über Hildebrand Gurlitt, den wohl bekanntesten Akteur des NS-Kunsthandels, war restlos ausverkauft.
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