„Kamera: Pappi“

Eine DVD des Landesfilmarchivs zeigt mit Multimedia und alten Filmaufnahmen, wie Kindsein in Bremen war

Bremen taz ■ Kopfsprung vom Deich, toben bis zum Abwinken, hinterher duschen. Mädchen gucken verschämt, wie Jungs eigentlich aussehen. Jungs schielen zurück. Dann der Schock: Ein Junge erleidet einen epileptischen Anfall. Für die Bremer Pädagogin Paula Bücking ist es eine bis heute prägende Erfahrung, wie die Klassengemeinschaft die Krankheit des Jungen aufgefangen hat. Glückliche Erinnerungen an eine Kindheit in den 1920er Jahren.

Diethelm Knauf, Leiter des Landesfilmarchivs, hat solche Erinnerungen gesammelt. Mit historischen Filmaufnahmen, Interviews und Autorenlesungen zeigt er, wie es war, zwischen 1920 und 1970 in Bremen jung zu sein. Die älteste private Filmaufnahme, auf der sich züchtig bekleidete Badegäste vergnügen, stammt von 1925. Lange vor Super-8 und Video schafften sich ambitionierte Amateure Kamera, Schneidetisch und Projektor an.

„Wohlhabende Filmfans drehten schon in den dreißiger Jahren in Farbe“, weiß Knauf. „Man befolgte genau sein Drehbuch. Filmmaterial war so teuer, dass man nichts verschwendete.“ Das sieht zum Beispiel so aus: Erst die Großaufnahme des Kalenders, der das große Datum zeigt. Schnitt, dann Mamas Hand, die eine Kerze anzündet. Dann blicken strahlende Geburtstagskind-Augen in die Kamera. Die liebevoll geplante Dramaturgie wird in Stummfilm-Manier von Zwischentiteln unterbrochen. „Kamera: Pappi“, ist ein Werk stolz signiert.

Dauerbrenner über die Jahrzehnte sind: Sonntagsspaziergang und Bootfahren im Bürgerpark, Hafenrundfahrt und Freimarkt, Rollern und Rad fahren auf autofreien Straßen. In den dreißiger Jahren rückt dann die Politik ins Blickfeld der Amateurfilmer. „Man findet keine rassistischen und gewalttätigen Inhalte“, sagt Knauf. Die Leute dokumentierten, was sie begeisterte: Wehrsport und Ausflüge des NS-Kraftfahrerkorps, marschierende Hitlerjungen und die Hakenkreuzfahne auf der Sandburg.

Ergänzt wird der etwa einstündige Dokumentarfilm durch weitere 90 Minuten Bonusmaterial. Beim virtuellen Besuch in der Schulgeschichtlichen Sammlung lernt man mit den Schülern von einst, wie man auf Kommando seine Schiefertafel zückt: 1. – anfassen, 2. – hochhalten, 3. – mit leisem Klacken auf das Pult. Jetzt alle zusammen!

Annedore Beelte

Diethelm Knauf, Kindheit und Jugend in Bremen 1920-1970, DVD, Edition Temmen