„Keine faire Abstimmung“

SCHULREFORM Bei einem Volksentscheid dürften Eltern ohne deutschen Pass nicht mitmachen, warnt Kazim Abaci vom Interkulturellen Elternnetzwerk

■ ist Geschäftsführer von Unternehmer ohne Grenzen. Der Verein initiierte Anfang 2009 die interkulturelle Elterninitiative, der 25 Elternorganisationen angehören.  Foto: privat

taz: Herr Abaci, Sie haben ein Netzwerk von 25 migrantischen Elternvereinen initiiert und fordern eine Beteiligung an den Gesprächen zur Schulreform. Hatten Sie damit Erfolg?

Kazim Abaci: Wir wollten an den Einzelgesprächen des Moderators Michael Otto beteiligt werden. Das ist nicht passiert. Wir waren wohl nicht bekannt genug. Aber die Behörde hat jetzt Kontakt zu uns aufgenommen.

Wie stehen Sie zur Reform?

Migrantische Eltern sind dafür, dass Kinder länger gemeinsam lernen. Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass davon alle Kinder profitieren, insbesondere die aus so genannten bildungsfernen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund. Wir sagen, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zurzeit sind Kinder anderer Herkunftssprache an Gymnasien unter- und an Hauptschule und Sonderschulen überrepräsentiert. Es liegt nicht daran, dass diese Kinder doof sind. Es fehlt an besseren Chancen. Wir möchten, dass Hassan aus Billstedt die gleiche Chance hat wie Thomas aus Othmarschen.

Wird „Wir wollen lernen“ von Migranten unterstützt?

Ich kenne keinen migrantischen Elternverein, der das tut. Es kann sein, dass einzelne Eltern für das Elternwahlrecht unterschrieben haben. Das ist häufig eine sehr emotionale Entscheidung.

Sie sind für den Erhalt des Elternwahlrechts?

Ja, weil die heutigen Empfehlungen der Schulen oft fehlerhaft sind. Eltern sollten eine Mitsprache haben.

Wie soll das gehen? Über eine Probezeit? Sollen alle Kinder auf dem Gymnasium bleiben?

Da wollen wir erst einmal abwarten, welche Kompromissvorschläge vorgelegt werden. Meine persönliche Meinung ist, dass die Entscheidung in Abstimmung mit der Schule erfolgen sollte. Es gibt auch Eltern, die ihre Kinder überschätzen. Ein grundsätzliches Problem, an dem wir als Elternnetzwerk arbeiten wollen, ist die mangelnde Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus. Man muss sich vorstellen: Heute hat fast jedes zweite Grundschulkind Migrationshintergrund. Auf diese Realität haben sich viele Lehrer noch nicht eingestellt.

Wie fänden Sie es, wenn die Reform verschoben würde?

Wir sind gegen faule Kompromisse. Deutschland schneidet bei den Bildungsstudien schlecht ab, hier muss etwas passieren.

Sollte man es auf den Volksentscheid ankommen lassen?

Käme es zum Volksentscheid, wäre es keine faire, demokratische Abstimmung. Denn alle Eltern ohne deutschen Pass dürften nicht mitstimmen. Das sind viele. Die Reform betrifft ja Eltern, die heute ihr Kind in Vorschule und Grundschule haben. Von denen haben 25 bis 30 Prozent keinen deutschen Pass. Es wäre eine Abstimmung ohne einen Großteil der Bildungsverlierer. INTERVIEW: KAIJA KUTTER