Immer schön locker

In ihrer Fernsehrichtlinie will die EU Mindestregeln für Product-Placement etablieren und fordert eine deutliche Kennzeichnung für die Zuschauer

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Keine Sorge: „Harry, hol schon mal den Wagen“, dürfte Kultkommissar Derrick auch in Zukunft seinem Assistenten zurufen. Doch er könnte nicht „mit der flachen Hand auf die Kühlerhaube schlagen und sagen: Dieser M 6 ist das beste Auto, das ich jemals hatte“, wie die für Medien zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding erklärt. Sie hat gestern ihren Entwurf zur Reform der Fernsehrichtlinie vorgestellt (taz vom 19. September). Darin werden zum ersten Mal EU-Mindestregeln für Product-Placement festgelegt.

Das Thema sorgt in Deutschland für Aufregung. Denn dort ist erst seit dem „Marienhof“-Skandal bei der ARD einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden, dass es Handlungsbedarf gibt. Die Grauzone zwischen dem erlaubten Sponsoring und der verbotenen Einflussnahme auf Dialoge ist groß. Für Produktionen aus dem Ausland gibt es keine einheitlichen Regeln.

Kaum ein Zuschauer weiß, dass er bei österreichischen „Tatort“-Folgen damit rechnen muss, dass ihm manche Produkte etwas deutlicher unter die Nase gehalten werden. Im Nachbarland ist Product-Placement nämlich erlaubt. Auch wenn ein europäischer Sender US-Filme ausstrahlt, werden die darin platzierten Produkte frei Haus mitgeliefert. Die EU-Kommission will nicht verbieten, dass James Bond im BMW durchs deutsche Wohnzimmer fliegt. Doch im Vorspann soll deutlich werden, dass der Konzern dafür bezahlt.

Ob der Hinweis auf einer Tafel ähnlich der Altersbeschränkung eingeblendet wird oder als Fußzeile läuft, bleibt jedem Mitgliedsstaat selbst überlassen. Die neue Richtlinie gibt ohnehin nur einen Rahmen von Mindestregeln vor, die erfüllt sein müssen, wenn eine europäische Sendeanstalt oder ein Internet-Provider audiovisuelle Inhalte verbreitet. Jedes Land kann zusätzlich für seine eigenen Rundfunkanstalten viel strengere Gesetze erlassen. Das ist auch in der bisher geltenden Fernsehrichtlinie von 1989 so. Die Vorschrift, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Deutschland nach 20 Uhr keine Werbung ausstrahlen dürfen, stammt nicht aus Brüssel, sondern aus der nationalen Rundfunkgesetzgebung.

Rat und Parlament werden wohl an dem Kommissions-Entwurf noch zahlreiche Änderungen vornehmen. Zum Beispiel ist nicht befriedigend definiert, für welche Sendearten Product Placement überhaupt erlaubt werden soll. Die Kommission will es prinzipiell erlauben und nur „Sendungen über Gegenwartsgeschehen“, also Dokumentationen und Nachrichten, ausnehmen. Damit würde zum Beispiel für Ratgebersendungen eine neue Grauzone entstehen.

Die bessere Lösung wäre, Product-Placement im Prinzip zu verbieten und nur bestimmte Sendeformen wie Spielfilme oder Fernsehserien vom Verbot auszunehmen. Generell skeptisch ist die SPD-Medienpolitikerin und Europaabgeordnete Karin Junker: „Wie die heute bestehende Trennung von Werbung und Programm aufrechterhalten werden soll, ist mir rätselhaft.“ Die Kommission hält dagegen, dass diese Trennung oft ohnehin durchbrochen ist. Die neue Richtlinie sorge nun wenigstens für Mindestregeln.

Handlungsbedarf sieht die Kommission, weil sich die Medienlandschaft in den letzten Jahren stark verändert hat. 1989 gab es EU-weit 50 Fernsehkanäle, heute sind es 1.500. Dienste wie Internet und Video on Demand sind neu hinzu gekommen. Auch für sie sollen Mindeststandards im Jugendschutz, Respekt vor Minderheiten oder das EU-weite Tabakwerbeverbot gelten. Nichtkommerzielle Angebote wie private Blogs oder Online-Zeitungen, die nur einen geringen audiovisuellen Anteil besitzen, bleiben aber auch zukünftig von EU-Gesetzen unberührt.