Dreher & Smart kennen ein geradezu historisches Tanzvergnügen, und Siri Svegler kennt man noch nicht. Ist aber nicht ihre Schuld

Berlin kann ja allerhand, manches sogar richtig gut. Was aber die Sparte „Pop-Sirene mit internationalem Anspruch“ angeht, hat sich die Hauptstadt bislang nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Um die Defizite in diesem Bereich auszugleichen, musste importiert werden. Siri Svegler stammt ursprünglich aus Schweden, lebt auch noch irgendwie in London und hat genau die Sorte wandelbare Stimme, über die sich Produzenten freuen, weil sie damit nahezu alles machen können. So erinnert Svegler auf ihrem Debütalbum „Silent Viewer“ mal an den federleichten Pop, wie man ihn von Nina Kinert oder Sia kennt. Dann aber wird’s auch etwas sperriger, als würde sie Brisa Roche nachstellen. Unbedarft und naiv, wie von Kate Nash, geht’s sowieso. Und manchmal, wenn die Band erdiger wird, klingt Svegler sogar wie Duffy.

Das ist, man merkt’s an den vielen Querverweisen, nicht unbedingt allzu originär. Aber dafür in allen Facetten überraschend professionell. Hauptverantwortlich dafür: Produzent Frank Schellenberger, auf dessen beeindruckender Referenzliste sich Namen wie Samy Deluxe, Mocky und Smudo finden, aber auch die Band aus Sarah Kuttners MTV-Show. Der Mann kann also allerhand. Und das lässt er uns mit „Silent Viewer“ auch hören: Svegler muss nun nicht nur in ihren Themen, die von schnöder Liebe bis zu Schmerztabletten reichen, sondern gleichfalls musikalisch ein einigermaßen großes Spektrum abdecken. Ob harmloser Sommerpop, verrauchter Bar-Jazz oder etwas schneidigerer Rock, nur eins hält all diese verschiedenen Versuche zusammen: Siri Svegler klingt immer wie ein Star, der bloß noch entdeckt werden müsste.

Eins kann Berlin bekanntermaßen richtig gut. Oder konnte es zumindest mal: ein Brett programmieren. Beats schrauben, dass kein Bein still steht und kein Auge trocken bleibt und irgendwann dann doch tatsächlich Millionen auf die Straße gehen. Okay, ist eigentlich vorbei, hieß mal Techno. Aber Dreher & Smart können es immer noch ziemlich prima. Wie sie im vergangenen Jahr mal wieder beim Fusion Festival in Mecklenburg bewiesen haben. Diesen Set haben Toby Dreher und Sascha Mende nun unter dem Titel „Wandertag“ veröffentlicht. Das geht sauber voran, meist geradeaus auf einer gut geteerten Autobahn, kein Vertun, im Hintergrund jubelt dezent die Menge.

Die Beats klingen immer mal wieder nach Kraftwerk, das Tempo stammt aus Detroit und das Feeling aus den ersten Nachmauerstadtjahren. Dazu ein paar schräg durchs All geisternde Klänge, wenige knappe Samples und fertig ist gutes, altes Berliner Tanzvergnügen anno 1994. Klar: Dreher & Smart sind, der Witz muss sein, clever genug und handwerklich ausreichend geschickt, die Kanten abzurunden und die Brüche elegant zu verbergen, dass ein unwiderstehlicher Sog entsteht, der aber zum Glück niemals in die Wellness-Trance-Falle tappt. Nein, modern ist „Wandertag“ nun wirklich nicht. Sondern eher ein von einem versierten Oberschulrat geführter Klassenausflug in die populäre Geschichte Berlins. Besser ist es. THOMAS WINKLER

■ Siri Svegler: „Silent Viewer“ (Compost/Groove Attack), live am 16. 1. im Intersoup

■ Dreher & Smart: „Wandertag“ (3000 Grad/Kompakt), live am 16. 1. im Arena Club