DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL

Wir befinden uns im Jahr 2010. Ganz Deutschland ist von schädlichen Emissionen bedroht. Ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Schwaben besetzte Stadt hört nicht auf, den Schadstoffen in der Luft Widerstand zu leisten – damit ihnen der Sauerstoff nicht ausgeht. Denn nirgendwo sonst in Deutschland sind die Feinstaubwerte so hoch wie in Stuttgart. Die Schadstoffe müssen weg. Nur wie? Das weiß doch jeder: mit dem Superkleber. Ganz pragmatisch packt Stuttgart also die Chemiekeule aus. Der Umwelt zuliebe. Tatsächlich sind seit Montag Einsatzfahrzeuge im Dienst und besprühen im Zweitagestakt Stuttgarts Straßen mit einem speziellen Klebstoff. Der soll bis zu 30 Prozent des schädlichen Feinstaubs an sich binden. Weniger Rußpartikel würden so von Autos aufgewirbelt. Wie gut! Da kann der Klebstoff schon mal mit den Abgasteilchen der Sprühfahrzeuge beginnen. Zurück bleiben der beißende Gestank von Essig und mit Glück nur noch 70 Prozent der Schadstoffe. Fazit: Die Luft ist minimal reiner und das Gewissen des Regierungspräsidiums auch. Doch das betreibt lediglich symbolische Umweltpolitik. Denn beseitig werden nur die Syptome der Umweltbelastung, nicht aber die Ursache. Um Emissionen zu reduziereren, bedarf es mehr als der Klebelösung. Wie wär’s damit: den Verkehr entlasten, bestimmte Fahrzeuggruppen in der Innenstadt verbieten, das öffentliche Verkehrsnetz weiter ausbauen, Fahrzeugtechniken verbessern oder veraltete Heizungen in Häusern sanieren. Wege gäbe es viele. Doch die scheinen zu unbequem. Zu teuer. Knapp 11.000 Euro blecht die Stadt für den Superkleber. Zu wenig für ernste und nachhaltige Umweltpolitik. Wenn sich Stuttgart da mal nicht selbst auf den Leim geht. SEW