Ein ganz normales Hochhaus

TURMBAU AM ALEX

Sie sind noch immer da, die alten Reflexe: Kaum wurde bekannt, dass der US-Investor Hines am Alexanderplatz ein Hochhaus bauen will, war wieder die Rede von Maßstablosigkeit und Amerikanisierung. Hochhaus und Berlin, heißt es, das passt einfach nicht zusammen. Schließlich sei Berlin eine europäische Stadt und solle es auch bleiben.

Dabei haben die Hochhäuser Berlin längst erobert. Am Potsdamer Platz spielen sie ein bisschen Chicago, und in der City West haben sie sich aufgereiht, ohne dass darüber viele Worte verloren wurden. Nun also der Alex. Warum auch nicht?

Als der damalige CDU-Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer vor 20 Jahren den „Kollhoff-Plan“ mit seinen zehn oder zwölf Türmen am Alexanderplatz vorstellte, war der Protest berechtigt. Der Alex war damals ein people’s place, ein Ort der friedlichen Revolution, der Demonstrationen. Heute ist er zwar noch immer Berlins meistfrequentierter Platz, aber längst auch ein commercial place. Wenn Hines nun seinen 150-Meter-Turm – das höchste Haus Berlins – als Wohnturm baut, trägt das zur Belebung bei. Nicht mehr nur Umsteiger gibt es dann am S- und U-Bahnhof, sondern auch solche, die nach Hause kommen.

Und ist ein Hochhaus nicht auch nachhaltig? 10.000 Wohnungen im Jahr braucht Berlin, die meisten davon werden am Stadtrand entstehen. Berlin ist wachsende Stadt, für den Senat ist das ein Erfolg, ein Zeichen für Attraktivität. Es bedeutet aber auch weiteren Flächenfraß. Die ersten Opfer sind Wiesen und Brachen am Stadtrand und Baulücken in der Innenstadt, die heute noch als Spielplätze genutzt werden. Der betonierten Fläche, auf der der Turm entstehen soll, trauert niemand nach.

Doch es gibt nicht nur Grund zur Freude. Wenn der Tower steht, wird endgültig jene Zeit vorbei sein, in der die deutsche Hauptstadt „preiswert“ war. Wie attraktiv wird sie dann noch sein? Als Partymetropole soll ja Belgrad Berlin bereits abgelöst haben. UWE RADA