piwik no script img

Kommentar Arbeit an UniversitätenSchluss mit Dr. Zeitvertrag

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Promovierte Mitarbeiter an den Unis hangeln sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag. Es wird höchste Zeit, dass sich die Bedingungen ändern.

Der Lehrbetrieb bietet oft nur Zeitverträge. Bild: dpa

W as in privaten Unternehmen undenkbar, ist an staatlichen Hochschulen die Regel: langjährige Mitarbeiter einen Zeitvertrag nach dem anderen unterschreiben zu lassen und dies oft im Abstand von wenigen Monaten.

Möglich wird das durch ein Gesetz mit dem sperrigen Namen Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Die GEW hat den Vorschlag gemacht, dieses so zu verändern, dass befristete Verträge die Ausnahme und Hochschulen per Gesetz gezwungen werden, ihren Nachwuchswissenschaftlern und sonstigen Angestellten feste Stellen in Aussicht zu stellen. Das ist radikal, aber richtig.

Radikal, weil eine Entfristung der Arbeitsverhältnisse die gängige Praxis in deutschen Hochschulen komplett umkrempeln würde. Feste Stellen haben hier in der Regel nur Professoren. Die Mehrheit müht sich und hangelt sich auf der Karriereleiter von Fristvertrag zu Fristvertrag. Die wenigsten gelangen bis nach oben. Kritik an der Hochschule, gar an Professoren zu üben, wird daher sehr schwierig.

So bleiben die Hochschulen flexibel und offen für neue Köpfe und frische Ideen, lautet im Kern die Rechtfertigung der Hochschulen. Doch dieser vermeintliche Vorteil hat viele Nachteile. Die besten Absolventen gehen nach der Promotion lieber gleich in die Wirtschaft. Dort verdienen sie nicht nur besser, sie werden auch nach kurzer Zeit fest angestellt.

Um gute Nachwuchswissenschaftler zu halten, ist die Aussicht auf eine Professur mit Anfang 40 (Durchschnittsalter) wenig verlockend. Das haben die ersten Hochschulen nun erkannt und steuern um. Die Uni Potsdam etwa schreibt Stellen für Nachwuchswissenschaftler aus, die eine Daueranstellung nach einer Bewährungsphase versprechen. Solche Ansätze gesetzlich zu flankieren, ist Aufgabe der Regierung. Der Vorstoß der GEW ist daher richtig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Höchste Zeit, dass sich auch etwas bei privaten Bildungsträgern ändert. Dort hangeln sich Freiberufler mit prekären, befristeten Verträgen von Maßnahme zu Maßnahme - nahezu immer in Selbstausbeutung und Scheinselbstständigkeit.

  • Nun kommen Sie! Weshalb soll die Einstellung von Mitarbeitern nicht ebenso vor sich gehen wie in der freien Wirtschaft? Dort gibt es fachlich und psychologisch versiertes Personal, das ein gutes Gespür für die Einstellung guter Mitarbeiter hat. Dort sind auch keine Zeitverträge nötig. Mitarbeiter, die den Erwartungen nur bedingt entsprechen, treten - auch einkommensmäßig - über Jahre auf der Stelle und werden eben nicht befördert. Sie dürfen getrost glauben, dass das ausreichend motiviert, wenn einer sieht, wie andere vorbeiziehen.

     

    Da kann ich - auch im Hinblick auf die Lebensplanung der Mitarbeiter - die Forderung der GEW nur unterstützen.

     

    Aus meiner Sicht ist es mehr als kurzsichtig, junge Mitarbeiter mit Zeitvertrags-Sparmaßnahmen derart langfristig zu verunsichern, dass sie in Kenntnis solcher "Gnadenerweise" dankend darauf verzichten.

    • @anyhow:

      Zusatz: Welche Regel schreibt fest, dass nur Professoren eine Festanstellung erhalten können?

       

      Mein lieber Schwan, das ist feudal - das vertreibt schon im Vorhinein gutes Personal! Da wundert es Keinen, wenn sich ein Gutteil der Mitarbeiter als "Sesselpupser" (wie ein Kommentator meint) entpuppt. Andere gehen da gar nicht erst hin.

  • Schön. Aber was ist mit denen, die dann keinen Job bekommen, weil sich ein einmal als super und engagiert entdeckter Wissenschaftler bald als Sesselpupser entpuppt und auf der Stelle in Rente geht? Er blockiert dann 30 Jahre anderen die Chance, z.B. zu promovieren. Wir hatten das schon mal in den 1970er Jahren, als fast jeder Assistent zum Ass-Prof. gemacht wurde - die Möglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs waren dann von jetzt auf gleich massiv reduziert, da das System nur eine bestimmte Anzahl von Stellen verkraftet (und bezahlen kann). Also 100 Stellen auf Dauer besetzen und damit blockieren oder sie alle 3-4 Jahre neu besetzen und die in dieser Zeit qualifizierten Wissenschaftler in die Praxis entlassen? Eindeutig letzteres! Sowohl im Interesse der Betroffenen, als auch der Gesellschaft. Das problem sind nicht die Zeitverträge, sondern die Ausbeutung der Mitarbeiter in dieser Zeit für teil-private Projekte, vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich. Da sollte man reingrätschen.

    • @Feltes Thomas:

      nun, das mag schon sein - und ist leider tatsächlich noch ab und zu aktuell, aber die Realität sieht vor, dass ich seit Beginn meiner Promotion immer für 1-4 Monate angestellt wurden bin (trotz Bewilligung meiner Stelle für 2,5 Jahre), mit der (natürlich inoffiziellen) Begründung: Ich könnte ja während meiner Promotion schwanger werden - na vielen Dank!!!

  • 5G
    5393 (Profil gelöscht)

    Auf das Totschlagargument Freie Wirtschaft kann man gern verzichten, denn wer das präferiert, hat andere Defizite. "Dann geh ich eben", bitte, tun Sie sich keinen Zwang an. Eine Universität ist eine Institution, im Begriff der Institution steckt in hohem Maß der Begriff der Kultur (nicht der Begriff der Verwaltung, wer da die Schwerpunkt verschiebt, pervertiert den Begriff der Institution). Die Institution sollte gerade gewisse freie und unvermittelte Verhältnisse beenden, was auch besonders den Übergang von der Feudalzeit zur Zeit danach bestimmt. "Dann geh ich eben zur Freien Wirtschaft" refeudalisiert eigentlich eine Haltung, wenn das die Präferenz ist, kann man auf solche Leute verzichten. Das Leben ist ein Prozess, wer durch die eigene Ethik etwas aufgehalten wird, kann sich verbessern. Das war die Haltung, die Peter Glotz als Rektor in Erfurt propagiert hat, also schon lang her und meinte damit eine stetige Aufbruchhaltung und natürlich Unsi cherheit insofern, indem keine Positionen festgeschrieben sind. Es ist auch ein Irrtum zu glauben, dass eine Professur so klasse ist, es sind viele Pflichten, die in die heutigen Zeiten schon gar nicht passen, denn in Umfragen wird auf flexible Jobs für die Zukunft gesetzt, d h ständiger Arbeitsplatzwechsel nach ein paar Jahren gewinnt als Präferenz die Umfragen, mit einer Festanstellung als Professor passt das nicht zusammen. Glotz sah das auch in den 90ern schon so. Die Fragestellung ist eine Verwaltungsfrage und setzt den Schwerpunkt somit auf Verwaltung, dafür aber waren Institutionen nie gedacht.