Erneut nächtliche Razzien und Festnahmen in Bilin und Nilin

WESTJORDANLAND Israels Armee will den friedlichen Protest gegen den Bau der Sperranlage beenden

Seit dem 16. Dezember hat die Armee in Nilin schon elf nächtliche Razzien durchgeführt

BERLIN taz | Israelische Streitkräfte haben in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch erneut mehrere Personen in den Ortschaften Nilin und Bilin festgenommen. Beide Dörfer in der Nähe von Ramallah im Westjordanland sind bekannt für ihre friedlichen wöchentlichen Protestmärsche gegen den Bau des Trennungszauns.

Nach Angaben aus Unterstützerkreisen fuhren gegen drei Uhr in der Nacht 15 gepanzerte israelische Jeeps in Nilin ein. Rund 100 Soldaten stürmten den Ort und umstellten das Haus des Koordinators des Widerstandskomitees gegen die Mauer, Ibrahim Amirah. Sie holten Amirah aus seinem Bett, durchsuchten das Haus und nahmen ihn mit. Zudem wurden die Häuser von zwei weiteren Männern durchsucht. Bei einem von ihnen handelt es sich um den Hochschullehrer Hassan Mousa, der ebenfalls ein Mitglied des Volkskomitees gegen den Mauerbau ist. Er wurde nach einigen Stunden wieder freigelassen. Dagegen blieb der andere ortsbekannte Aktivist Zaidoun Srour in Haft.

Eine ähnliche Razzia führten die Soldaten in der Nacht auch im Nachbarort Bilin durch. Dort wurde der 21-jährige Muhammmed Ali Jassin in Haft genommen. Nach Angaben aus Bilin wurde er wegen seiner wöchentlichen Teilnahme an den Demos von der Armee seit Monaten gesucht. „Die jüngsten Verhaftungen sind eine Eskalation der andauernden israelischen Versuche, den Volkswiderstand zu unterdrücken und dabei gezielt auf die Festnahme der Führer zu setzen“, heißt es in einer Erklärung der Volkskomitees.

Seit dem 16. Dezember hat die Armee in Nilin demnach insgesamt elf nächtliche Razzien durchgeführt. 94 Einwohner des Dorfs wurden seit Beginn der wöchentlichen Demonstrationen im Mai 2008 inhaftiert. Aus dem Nachbardorf Bilin, das schon seit mehr als fünf Jahren friedlich gegen den Zaun auf seinem Land protestiert, wurden in den vergangenen sechs Monaten 34 Personen inhaftiert, darunter die führenden Köpfe des Komitees Adib Abu Rahmah und der Gymnasiallehrer Abdallah Abu Rahmah. Sie werden laut Militärrecht der „Aufwiegelung“ und des „Waffenbesitzes“ beschuldigt. Die erste Anklage wird mit den wöchentlichen Demonstrationen begründet, der „Waffenbesitz“ mit dem Sammeln und Ausstellen von leeren, abgeschossenen Tränengaskanistern.

Ohne Anklage und aufgrund geheim gehaltener Beweise sind zudem drei führende Köpfe der Organisation „Stop the Wall“ in Haft. Bei ihnen handelt es sich um Wael al-Faqih, Jamal Juma und Mohammed Othman. Amnesty International hat zu Beginn der Woche eine Postkartenaktion gestartet, in der der Militärstaatsanwalt im Westjordanland, Brigadegeneral Avihai Mendelblit, aufgefordert wird, die Anklagen gegen Jamal Juma, Abdallah Abu Rahmah und Mohammed Othman fallen zu lassen und die Männer auf freien Fuß zu setzen. Laut Amnesty handelt es sich bei den Männern um „Menschenrechtler, die seit Jahren mit friedlichen Mitteln“ gegen die Mauer protestieren.

GEORG BALTISSEN