Städte fürchten Kita-Krise

Die geplanten Kürzungen bei den Kindergärten sind für den Kinderschutzbund und viele Kommunen ein „Skandal“. Gerade in ärmeren Städten führe dies zu einer schlechteren Qualität der Betreuung

VON MIRIAM BUNJES
UND NATALIE WIESMANN

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will künftig bei den Kindergartenkindern sparen: Ab 2006 werden 105 Millionen Euro weniger in die Kindergärten fließen. Gespart wird zum einen an der Ausstattung und zum anderen an den Zuschüssen an die Städte. Diese sollen den Ausfall jetzt über Elternbeiträge wieder hereinholen. Kommunen und Kinderschutzbund sind über den Beschluss des schwarz-gelben Landeskabinetts empört.

„Das ist ein Skandal“, sagt Sophie Graebsch-Wagener, Sozialdezernentin im SPD-regierten Bochum. „Wenn ich höre, dass Geld für neue Reiterstaffeln zur Verfügung steht, finde ich die Landesregierung unglaubwürdig“, sagt sie. Gerade die ärmeren Städte seien von den Kürzungen besonders betroffen. Der Elternbeitrag, den das Land auf durchschnittlich 19 Prozent angesetzt hat, wurde wegen der vielen zahlungsunfähigen Familien nie erreicht. Bisher sprang hier das Land ein und zahlte den Kommunen die Differenz. Davon verabschiedet sich jetzt das Land, die Kommunen sollen ihre Kinderfinanzierung „neu überdenken“.

„Für die Kommunen entstehen dadurch keine Nachteile“, sagt Barbara Löcherbach, Sprecherin im Familienministerium. „Wir haben das Verfahren entbürokratisiert, dadurch können sie Geld einsparen.“ Mehr Organisationsfreiheit gibt es insbesondere bei den Beiträgen. Die dürfen jetzt von den Kommunen frei festgelegt werden. Nach oben, wenn es denn sein muss. „Vielleicht ist das aber nicht nötig, wenn die Jugendämter weniger Verwaltungsarbeit machen müssen, können sie ja auch an sich selbst sparen“, sagt Löcherbach. „Auch für die Kommunen mit ärmerer Bevölkerung wird sich finanziell nichts ändern, wenn sie sich besser organisieren.“

Der Oberhausener Sozialdezernet Reinhard Frindt sieht das anders: Oberhausens Eltern decken mit ihren Beiträgen ungefährt zwölf Prozent der Kindergartenkosten. „Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, weil es hier eben nicht so viele reiche Eltern gibt“. Oberhausen wird die Gebühren erhöhen müssen. „Dann werden sich vermutlich eine ganze Reihe von Eltern gegen einen Kindergartenplatz entscheiden“, sagt der Sozialdezernent. „Eine familien- und auch bildungspolitische Katastrophe.“

Unterstützung erhalten die Kommunen vom Städtetag NRW und vom Kinderschutzbund: „Es kann nicht sein, dass das Land den Ausbau und die Verbesserung der Kinderbetreuung verspricht, dafür aber die Finanzmittel nicht erhöht, sondern gravierend kürzt“, sagte gestern Stephan Articus, Geschäftsführer des Städtetag. Erst recht nicht könnten Kommunen und Eltern die Zeche dafür zahlen, wenn sich das Land teilweise aus der Finanzierung zurückziehe. Auch Friedhelm Güthoff, Geschäftsführer beim Kinderschutzbund empfindet die Kürzungen als „Ohrfeige für alle, die sich seit Jahren damit beschäftigen, wie die Qualität der Kindertagesstätten verbessert werden kann.“

Die Einsparungen der Landesgelder werden sich vor allem auf die Qualität der Kindergärten in den ärmeren Kommunen auswirken. Die reicheren Städte kommen mit kleineren Kürzungen bei den Sachkosten davon. Wenn sie bisher die Elternbeiträge in Höhe von 19 Prozent erreichen konnten, müssen sie sich keine Gedanken über eine Erhöhung machen. „Es kann nicht sein, dass der Wohnort entscheidend ist für die Qualität einer Kinderbetreuung“, so Güthoff.

Im Jugendamt der CDU-regierten Stadt Köln hat man dagegen Verständnis für die Kürzungen des Landes: „Auch die alte Regierung hat den Landeszuschuss immer wieder abgesenkt“, sagt Leiter Wolfgang Büscher. Wer geglaubt hätte, dass die neue Regierung das anders mache, sei naiv. Bei den Sachkosten handle es sich ja nur um 10 oder 11 Prozent Kürzungen. Und: „Es gibt keine armen Familien, sondern Hartz-IV- oder Sozialgeld-Empfänger – und die müssen ohnehin keine Beiträge zahlen.“