Drei Zentimeter mehr

In Finkenwerder hat Airbus mit der Ausstattung des Riesenflugzeugs A 380 begonnen: von der Treppe bis zur Küche wird alles just-in-time angeliefert

„Wir wollen eine Maschine anbieten, die mehr kannals nur fliegen“

Von Gernot Knödler

Für eine Fabrik ist Airbus Finkenwerder ein schöner Arbeitsplatz. Durch die Glasfassade der Ausstattungshalle auf der neuen Werkshalbinsel sieht man das gegenüberliegende Elbufer im Herbstkleid und ab und zu ein Containerschiff. Drinnen steht der Riesen-Airbus A380, millimetergenau eingeparkt zwischen mehrstöckige Arbeitsbühnen. Die Halle ist blitzblank. Es ist ruhig und riecht nach Klebstoff wie beim orthopädischen Schuhmacher.

130 Ingenieure und Facharbeiter versehen den leeren Flugzeugrumpf hier mit der Inneneinrichtung. Sie installieren Treppen und Aufzüge, Toiletten und Teppiche, Sitze mit Fernsehbildschirmen, Schlafkojen und Notrutschen. Die aufwendige Klimaanlage und die Steuerungselektronik stecken bereits im Flugzeug – schließlich ist es aus Toulouse hergeflogen worden. Bedürfte es eines Beweises, die toten Insekten auf der Nase stünden dafür.

Dieter Stein, der Chef der Kabinenausstattung, ist stolz auf sein Logistik-Konzept, das es erlaubt, alle Teile „just in time“ zum Flugzeug zu bringen, auf allen drei Decks und durch alle Türen. Ab 2008 sollen in der Halle vier A380 gleichzeitig eingerichtet werden. Am laufenden Meter werden die 40-Tonner durch Finkenwerder oder über dessen Ortsumgehung rollen, um wie im Aldi-Zentrallager rückwärts an zwei Tore am Kopf der Halle anzudocken.

Direkt hinter den Toren befinden sich Aufzüge, mit denen das Material auf die Ebenen verteilt wird. Die Einrichtung kommt in Roll-Containern. In ein paar offenen Boxen sind Gepäckfächer zu erkennen. Für die Fotografen muss Stein auf einem Sofa posieren, das komplett als Teil eines Stücks Wandverkleidung angeliefert wurde.

„Wir wollen unseren Kunden eine Maschine anbieten, die mehr kann als nur fliegen“, sagt Michael Lau, der Verantwortliche für das Kabinendesign. Lau versucht, der Kundschaft die Möglichkeiten des A380 nahe zu bringen, die sich aus der Breite und dem zweiten Stockwerk des Fliegers ergeben. Als Vorbilder nennt er Hotels und Kreuzfahrtschiffe.

Der Riesen-Airbus biete 50 Prozent mehr Geschossfläche und transportiere 35 Prozent mehr Passagiere und Ladung. In dem Raum, der übrig bleibt, lassen sich die Ruheräume der Crew für Langstreckenflüge, Bars und Sitzgruppen unterbringen. Zudem ist jeder Sitz drei Zentimeter breiter als üblich. Laus Marketing-Kollege Corrin Higgs spricht deshalb von einem Flugzeug des 21. Jahrhunderts, während die Boeing 747 doch „eher ein Flugzeug des 20. Jahrhunderts sei“.

Wenn Lau seine Kunden berät, dann zeigt er ihnen 3D-Modelle der von ihnen gewünschten Ausstattung. Er kann sie sogar in 3D-Modelle hineinführen. Reicht es den Managern der Fluglinien immer noch nicht, schnitzt ihnen ein Airbus-Ableger in Neu Wulmstorf innerhalb von 24 Stunden ein Modell der gewünschten Sitzgruppe aus Styropor.

Auch Inneneinrichtungschef Stein hat alle Arbeitsabläufe in 3D-Modellen testen lassen. Rund vier Monate Zeit hat sein Team für das Einrichten, im Regelbetrieb sollen es nur noch 20 Tage sein. Ende März fliegt die Maschine zurück nach Toulouse, um dort ein Testprogramm zu durchlaufen.