Pillenkosten nur wenig gebremst

Große Koalition legt Sparpaket für Arzneimittel vor. Pharmafirmen werden dank Union mehr geschont als erst geplant

BERLIN afp/ap/taz ■ Das großkoalitionäre Arzneimittelsparpaket passierte gestern das Kabinett und wird heute erstmals im Bundestag beraten. Das Gesetzesbündel entspricht dem proklamierten Willen von Union und SPD, die Pillenkosten unter Kontrolle zu halten.

Allerdings musste Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in letzter Minute große Zugeständnisse an die Union beziehungsweise die Pharmaindustrie machen – sie dürften sich als rund eine Milliarde Mehrkosten bei den Krankenkassen und als entsprechende Erhöhung der Kassenbeiträge bemerkbar machen. Das angepeilte Einsparvolumen beträgt jetzt nur noch 1,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Einigung sieht vor, dass die Arzneimittelpreise von April 2006 an für zwei Jahre eingefroren werden und nicht für drei Jahre, wie von Schmidt zunächst geplant. Außerdem wurde eine Passage gestrichen, die es den Pharmafirmen untersagen sollte, die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007 auf ihre Preise umzulegen. Allein diese Regelungen schwächen den Einspareffekt nach Angaben aus den Regierungsfraktionen um 700 Millionen Euro.

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums gestand gegenüber der taz, dass die Ministerin sich eine höhere Entlastung gewünscht hätte, „dennoch sind eine Milliarde Euro eine ziemliche Erleichterung für die gesetzlichen Krankenkassen.“

Auch der CSU-Gesundheitspolitiker Wolfgang Zöller wollte von einer Niederlage Schmidts nichts wissen. „Wir haben uns vernünftig geeinigt“, sagte Zöller der taz. „Ein Kompromiss ist immer ein Geben und Nehmen.“ Die Versorgung der Patienten mit geeigneten, bezahlbaren Arzneimitteln müsse das „oberste Ziel“ sein. Da sei kein Platz für parteipolitische Scharmützel.

Zöllers CDU-Kollegin Annette Widmann-Mauz würdigte den Entwurf als „positives Signal an die forschende pharmazeutische Industrie in Deutschland“. Denn er ziele darauf, Innovation und medizinisch-technischen Fortschritt Patienten schneller zugänglich zu machen.

Die Kassen hingegen bewerten das Gesetz äußerst skeptisch. Entgegen den ursprünglichen Plänen dürften die Pharmafirmen die höhere Mehrwertsteuer auf die Kassen überwälzen, vermutet die Kaufmännische Krankenkasse. Auch sie erwartet eine Mehrbelastung von 800 Millionen Euro. „Hier hat die Politik offenbar der Mut verlassen, die Lasten auf die Pharmaindustrie zu verlagern“, sagte KKH-Chef Ingo Kailuweit. Ähnlich äußerte sich der BKK-Bundesverband.