Das Kreuz mit den Rechtsextremen

Ein Architekt wollte im sächsischen Borna ein großes Kreuz für die Opfer des Zweiten Weltkrieges errichten. Die Stadt fand das gut, doch dann kam heraus, dass hinter dem Projekt Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen stecken

AUS DRESDEN UND BORNA MICHAEL BARTSCH

Man freut sich dieser Tage nicht allzu sehr auf Besuch in der beschaulichen Kleinstadt Borna. Das ehemalige Verwaltungsgebäude einer Braunkohlegesellschaft in der Kreisstadt südöstlich von Leipzig könnte nämlich zu einem Wallfahrtsort für Kriegsverherrlicher und Rechtsextreme werden.

Ein Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkrieges wollte der Architekt Ludwig Limmer aus dem rheinländischen Meerbusch angeblich in der sächsischen Kreisstadt errichten. Er ist Mitglied im Verein „Gedächtnisstätte“, der sich für ein solches Denkmal einsetzt. Dafür kaufte Limmer im März dieses Jahres ein 10.500 qm umfassende Areal plus Haus von der Lausitzer- und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV. Dort sollte ein zwölf Meter hohes Kreuz, hergestellt von der Metallbaufirma der Frau von Bornas Oberbürgermeister Bernd Schröter, aufgestellt werden. Der Kriegsopfer solle hier gedacht werden, hieß es. Doch die Linkspartei-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz fand heraus, wer wirklich hinter dem Projekt steckt: Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen.

Gegründet wurde Limmers Verein „Gedächtnisstätte“ von der wegen Volksverhetzung verurteilte Rechtsaktivistin Ursula Haverbeck-Wetzel. Sie ist zugleich Vorsitzende des „Collegium humanum“ in der westfälischen Kleinstadt Vlotho, das ihr verstorbener Mann Werner Georg Haverbeck 1963 gegründet hatte. Die taz nrw berichtete bereits über diese vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextreme Bildungsstätte. Rechtsintellektuelle und Holocaust-Leugner wie Horst Mahler, Manfred Roeder oder Ernst Zündel waren und sind gern gesehene Gäste. Ähnliche Kreise sind auch bei einer Veranstaltung namens „Politische Kaffeetassen“ im Hause Limmer zu Gast.

Dies war aber niemandem in Borna bewusst. „Wenn einer mit Geld ins tote Borna kommt“, denke man im Bauausschuss nicht lange nach, sagt Simone Luetke, die stellvertretende Linkspartei-Fraktionsvorsitzende. Der Ausschuss genehmigte das Kreuz. Als die Limmers am 29.Oktober auf ihrem Grundstück auch noch ein Begegnungszentrum für Russlanddeutsche einrichteten, empfand Oberbürgermeister Schröter noch mehr Sympathie für die Limmers. „Hier ist etwas im Entstehen, das Borna nur gut tun kann“, lobte er. Die LMBV, eine hundertprozentige Tochter des Bundes, hatte ebenfalls keine Ahnung, an wen sie verkaufte. Sie war wohl auch froh, das Grundstück los zu sein. Nach vier vergeblichen Ausschreibungsrunden brachte erst die beauftragte Sächsische Grundstücksauktionen AG das Gelände für knapp 100.000 Euro an den Käufer. LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber bedauert nun den „braunen Schatten“ auf der Versteigerung.

Der Verfassungsschutz in Sachsen hatte davon ebenso wenig eine Ahnung wie das Innenministerium oder Landrätin Petra Köpping (SPD). Nach der Ahnungslosigkeit folgen böse Ahnungen. Stadträtin Luedtke vermutet zwar nur Visiten von Kriegsveteranen und keine Nazi-Aufmärsche, befürchtet aber eine braune Missionierung in der Region. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Vereinigung der Nazi-Verfolgten haben bereits vor der Gedenkstätte gewarnt.

Nach Verschlafenheit üben sich die Verantwortlichen nun in Aktionismus. Der Kauf lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Die Stadt kann die Nutzung des Geländes durch Nichtgenehmigungen bestenfalls einschränken, was am 22. Dezember fraktionsübergreifend geschehen soll. Oberbürgermeister Schröter will das Kreuz „auf keinen Fall ausliefern“. Landrätin Köpping hat zu einer Demonstration am Freitag aufgerufen. Am selben Tag lädt Regierungspräsident Walter Christian Steinbach Landrätin, Polizeidirektion, Bürgermeister und Verfassungsschutz zu einem Krisengespräch ein. Ob das Bornas unwillkommenen Besuch verhindern kann, ist allerdings fraglich.