„Es ist fahrlässig, wenn eine Regierung wegsieht“

Manfred Nowak, Folter-Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, über das Verhalten der Bundesregierung in Sachen CIA-Flüge

taz: Nehmen wir einmal an, in den CIA-Flugzeugen, die den deutschen Luftraum oder deutsche Flughäfen benutzt haben, hätten Häftlinge gesessen, die in Staaten überführt worden wären, wo sie aller Wahrscheinlichkeit nach gefoltert werden. Hätte die Bundesregierung in diesem Fall völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt?

Manfred Nowak: Ja. Wenn sich herausstellt, dass Behörden der Bundesrepublik davon gewusst haben, dass es sich bei diesen Flügen um so genannte Rendition-Flüge handelte, um Häftlinge in Länder oder Verhörzentren zu bringen, wo ein großes Risiko besteht, dass diese dort gefoltert werden, dann haben sie sich mitschuldig gemacht. Deutschland hat die UN-Folterkonvention ratifiziert, die die ausdrückliche Verpflichtung enthält, eine Person zu schützen, wenn man einen Hinweis darauf hat, dass sie gefoltert wird oder werden könnte. Nach dem Weltstrafrechtsprinzip hätten sogar die Personen, die verdächtigt werden, an Folterungen mitzuwirken, festgenommen werden müssen.

Hätte die Bundesregierung denn aus eigenem Antrieb die Vorgänge untersuchen müssen, vielleicht spätestens nach dem Auftreten der ersten Medienberichte über solche Flüge etwa nach Syrien oder Ägypten?

Natürlich. Sobald hier ein Verdacht zum Ausdruck gebracht wird, ist erhöhte Wachsamkeit geboten. Dann ist es sicherlich schon fahrlässig, wenn eine Regierung weiterhin wegsieht. Und zweitens: Für alle Überflüge und Landungen im Luftraum eines Staates haben die Staaten die Souveränität, und daher sind sie auch verpflichtet, zu prüfen, dass diese Überflüge nicht dem Völkerrecht widersprechen.

Also hat sich die Bundesregierung fahrlässig verhalten, wenn sie diese Informationen nicht eingeholt hat?

Wenn es einen begründeten Verdacht gab, der den zuständigen Behörden – von welcher Seite auch immer – zu Ohren kam, dann hat die Bundesregierung die Verpflichtung, diesen Verdachtsgründen genau nachzugehen. Wenn sie stimmen, muss sie die entsprechenden Maßnahmen ergreifen.

Wäre das nicht in Deutschland allerspätestens der Fall gewesen, nachdem Innenminister Schily von den USA über den Fall Masri informiert wurde?

Wenn man einigen Medienberichten Glauben schenken kann, waren deutsche Behörden zu einem relativ frühen Zeitpunkt – und nicht erst, nachdem er wieder freigelassen wurde – von der Tatsache informiert, dass al-Masri in Mazedonien gekidnappt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hätten entsprechende Aktionen unternommen werden müssen, um sich nicht mitschuldig zu machen an einer Politik, die Folterungen und unmenschliche Behandlungen einschließt, wo immer diese dann auch stattfinden.

INTERVIEW: BERND PICKERT