„Eine ganz schöne Puzzlearbeit“

FUSSBALL Die Amateurkicker leiden unter dem Winter – fast 6.000 Spiele sind schon ausgefallen. Bernhard Wölfl vom Berliner Fußball-Verband (BFV) über das Wetter-Foul

■ 47, ist seit dem Jahr 2010 als stellvertretender Spielausschussleiter des Berliner Fußball-Verbands (BFV) tätig. Er ist ehrenamtlich vor allem für den Männerbereich zuständig. Sein Heimatverein ist der Tegeler Club BFC Meteor 06.

INTERVIEW JENS UTHOFF

taz: Herr Wölfl, wie ist mittlerweile Ihr Verhältnis zu den Meteorologen?

Bernhard Wölfl: Zumindest haben sie mit ihren Prognosen immer recht gehabt in den letzten Wochen, das muss man sagen. Auch wenn es uns immer geschadet hat. Aber wir sind nicht in ständigem Kontakt mit ihnen, wir schauen auch nur auf den Wetterbericht.

Wie viel Generalabsagen hat es schon gegeben? Also wie oft musste der gesamte Spieltag ausfallen?

Wir sind jetzt, glaube ich, bei sechs Generalabsagen. Im Moment verlängern wir die Absage ja von Tag zu Tag.

Gab es schon einmal vergleichbare Probleme in der Saisonplanung?

Ich kann mich nicht erinnern. Ich spiele seit 40 Jahren Fußball, aber in dieser Heftigkeit haben wir das noch nicht gehabt. Wir haben jetzt Anfang April, und es konnte erst ein einziger Spieltag regulär stattfinden.

Sind die Berliner FußballerInnen mittlerweile genervt?

Ja, schon, das merkt man. Etwa, wenn Spiele zum zweiten oder dritten Mal ausfallen oder Jugendturniere nicht stattfinden.

Warum finden die Spiele nicht einfach auf Schnee statt? Die Profis spielen doch zum Teil auch auf Schnee.

Das wird eine enorme Belastung für die Vereine. Es wird fast nur noch englische Wochen geben

Es gab auch schon Überlegungen, es mit einem Spieltag auf Schnee zu probieren. Klar, vor 30 Jahren hätte man einfach gespielt. Ein Argument dagegen ist aber auch, dass der Kunstrasen darunter leidet, wenn man auf vereistem Grund spielt. Bei älteren Kunstrasenplätzen können die Nähte Schaden nehmen. Außerdem geht Gesundheit vor, das sind ja Freizeitfußballer. Und oft sperren die Sportämter des Bezirks, dem die Anlagen gehören, die Plätze ohnehin – dann können wir da sowieso nicht spielen.

Wann gehen Sie denn von einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs aus?

Wir hoffen natürlich auf das kommende Wochenende. Die Prognosen aktuell sehen ja leider nicht so gut aus. Hoffentlich scheint bei der Kälte wenigstens die Sonne, damit der Schnee schmelzen kann.

Und wird die Saison nun länger dauern?

Ja. Die Spielzeit, die ursprünglich am 2. Juni enden sollte, wird im Erwachsenenbereich um zwei Wochen verlängert. Und zwischendurch wird am 1. Mai und an Pfingsten gespielt. Das finden viele natürlich nicht so toll, schon gar nicht die Berliner Polizei.

Wird man mit einigen Nachholspielen ins Umland ausweichen müssen?

Nein. Das ist auch so in den Richtlinien nicht vorgesehen. Wenn man ausweicht, soll man eigentlich auf einen Platz im selben Bezirk ausweichen.

■ Nach Angaben des Berliner Fußball-Verbands müssen allein bei den ersten bis dritten Herrenmannschaften der Vereine derzeit 1.018 Spiele nachgeholt werden. Im gesamten Erwachsenen-Bereich (also Männer, Frauen und Senioren) sollen sich schon 2.700 Partien angesammelt haben, die nicht ausgetragen werden konnten. Bei den JuniorInnen liegt die Zahl der ausgefallenen Partien bei ca. 3.000. Manche Mannschaften müssen nun in zehn Wochen die komplette Rückrunde spielen – das bedeutet, dass sie bis zu 17 Spiele absolvieren.

Gibt es Befürchtungen, dass einige Ligen nicht komplett gespielt werden können?

Nein, das nicht. Wir werden schon fertig. Nur wird es eben zu einer enormen Belastung und auch einer Herausforderung für die Vereine. Es wird fast nur noch englische Wochen geben, das heißt, dass zahlreiche Spiele unter der Woche stattfinden müssen.

Welches wird das Hauptproblem für die Vereine sein?

Der normale Trainingsbetrieb wird für sie nicht mehr möglich sein, weil sie alle paar Tage ein Nachholspiel bestreiten müssen.

Wie sieht eigentlich die Logistik des BFV aus? Wie viele Planer gibt es?

Die heißen bei uns Ansetzer und arbeiten alle ehrenamtlich. In der Jugend und bei den Frauen sind das etwa 20 Mitarbeiter, bei den Herren und Senioren sechs beziehungsweise vier. Der Saisonspielplan wird vor Beginn der Spielzeit per Computer generiert, aber wenn Spiele ausfallen, müssen sie manuell neu angesetzt werden. Das ist eine ganz schöne Puzzlearbeit.

■ Nicht jede Fußballpartie fiel aus: Bei Hertha BSC kann man nach dem 2:0-Sieg vom vergangenen Samstag gegen den VfL Bochum (Ronny und Nico Schulz trafen) die Erstliga-Schuhe polieren. Union wird nach einer verdienten 0:3-Niederlage beim FSV Frankfurt wohl weiter in Liga 2 antreten – es sei denn, es geschehen Wunder. Die benötigt man beim SV Babelsberg 03 nicht, um die Klasse zu halten, aber gute Nerven. Nach einem 1:2 in Saarbrücken steht man weiterhin auf Platz 18. Bei Turbine Potsdam ist die Meisterschaft in Gefahr, die 0:2-Niederlage bei Bayern München warf das Team von Bernd Schröder auf Rang 3 zurück.

■ Derweil besiegten die Eisbären die Hamburg Freezers mit 3:2 im letzten Playoff-Viertelfinale – und stehen im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Die Berlin Volleys hingegen spielten schon im Playoff-Halbfinale. Sie gewannen am Samstag locker 3:0 gegen den TV Ingersoll Bühl. Die Füchse verloren daheim 16:27 gegen die SG Flensburg-Handewitt.

Wie erreicht man, dass es gerecht zugeht beim Nachholen der Partien und nicht die Ligen auf höherem Level bevorzugt werden?

Man muss schon nach Prioritäten schauen. In der Frauen-Verbandsliga etwa gibt es eine Aufstiegsrunde mit den Bestplatzierten der anderen Verbände, die müssen pünktlich fertig werden. Bei den A- und B-Junioren ist es ähnlich. Bei den Herren gibt es gar keine Aufstiegsrunde, nur eine einzige Relegation, da sind wir sehr glücklich.

Kann die Stadt Berlin etwas tun?

Nein, aktuell nicht. Generell sind natürlich immer mehr Sportplätze wünschenswert, klar, aber das ist ein altes Problem. Derzeit hoffen wir einfach nur auf den Wettergott.