Korrekt schick

GEWÄNDER Auf der Modemesse key.to wird nächste Woche grüne Kleidung präsentiert. Doch wo bio draufsteht, ist oft kein fair drin

G.O.T.S: zertifiziert, wenn die 70 Prozent Fasern aus Bioerzeugung verarbeitet und soziale Mindeststandards in der Produktion eingehalten wurden. Genießt guten Ruf (global-standard.org)

TransFair: renommiertes Siegel für fair gehandelte Produkte – von Schokolade bis Biobaumwolle (trainsfair.org)

Fair Wear Foundation: legt hohe Sozialstandards an, zertifiziert keine Betriebe (fairwear.org)

Europäisches Umweltzeichen: kennzeichnet nur, dass Kleidung mit geringer Chemiebelastung produziert wurde. Greenpeace hält es daher für „bedingt empfehlenswert“ (eco-label.com)

VON MEIKE LAAFF

Strickjacken aus Cashmere, Kleider aus Seide: Mit grobschlächtiger Leinensack-Optik hat die Kollektion, die „Studio Jux“ kommende Woche auf der Berliner Modemesse key.to präsentieren wird, nichts zu tun. Und das, obwohl die Stücke des jungen niederländischen Labels ökologisch korrekt und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden.

„Studio Jux“ macht aus recycelten PET-Flaschen schicke blaue Blazer, vermeidet bei ihren Kleidungsstücken aus Hanf jeden Hauch von schlabbrigem Kifferschick. „In erster Linie geht es bei uns um schöne Mode. Aber für uns war auch von Anfang an klar, dass sie ökologisch und fair hergestellt sein muss“, sagt Carlien Helmink, eine der Betreiberinnen. Motivation dafür war schlicht das viele Elend, das die beiden bei Reisen um die Welt gesehen haben. „Unsere Designerin Jitske war einmal in Indien und hat gesehen, wie dort Kleidung gefärbt wird. Die Leute standen da in der Farbe – sie hat lilafarbene Inder gesehen! Da hat sie sich gedacht: Das will ich anders machen.“

Die Konsequenz: 2006 gründete sie „Studio Jux“, holte etwas später Helmink dazu, gemeinsam suchten sie nach alternativen Herstellungsmethoden und Rohstoffen. Heute beziehen sie ihre ökologisch produzierte Angora-Wolle aus Indien, die Stoffe aus recyceltem Plastik aus China und lassen ihre Kollektion in einer Fabrik im nepalesischen Katmandu fertigen, die ihre Angestellten anständig bezahlt und behandelt. Woher sie wissen, dass es dort fair zugeht? Designerin Jitske Lundgren lebt dort, kommt nur zweimal im Jahr für die neue Kollektion zurück nach Amsterdam.

Die beiden Niederländerinnen betreiben nur eines von vielen neu gegründeten Kleinlabels, die gründlich mit dem Kartoffelsack-Image von Ökokleidung aufgeräumt haben, das althergebrachte Hersteller wie HessNatur oder Waschbär mit ökokorrekter, aber ästhetisch eher abseitiger Mode geprägt haben. Auf der Berliner Messe key.to, die im Umfeld der Fashionweek und der Bread&Butter in der kommenden Woche stattfindet, wird ausschließlich grüne Mode präsentiert.

Saubere Sachen

Parallel mit dem Angebot ist auch die Kundschaft für Biomode in Zeiten der Loha-Bewegung größer geworden. „Nach dem Kühlschrank und der Energiesparlampe kommt der Kleiderschrank dran“, sagt Kirsten Brodde, Expertin für grüne Mode und Autorin des Buches „Saubere Sachen“. „In letzter Zeit erleben wir einen Bioboom.“

Bester Beleg dafür: Selbst bei Modeketten wie H&M, C&A oder Zara hängen einzelne Stücke, teils sogar auch ganze Produktlinien mit einem „organic cotton“-Label auf der Stange. Wer das kauft, bekommt zwar ein Produkt, in dem mehr als 50 Prozent Biobaumwolle verarbeitet sind, über die Zustände in den Produktionsfabriken, Färbemittel und sonstige im Verarbeitungsprozess verwendete Chemikalien sagen solche Siegel aber nichts aus. „Es gibt keine Automatik, dass Bio immer Fair bedeutet“, sagt Brodde. Gerade große Anbieter setzen eher auf den Biotrend – und kleine Labels bemühen sich oft, doppelt korrekt zu produzieren, eine Nische zu besetzen.

Dominik Kloos, Autor einer Studie über sozialökologische Mode für das kirchennahe südwind-Institut, kritisiert deshalb: „Bei großen Unternehmen wird nicht selten Greenwashing betrieben. Es gibt ein Vorzeigeprojekt, das beworben wird, der Großteil bleibt aber eben konventionelle Produktion.“ Brodde hingegen meint, dass auch ein Biocotton-Einkauf bei H&M oder anderen Ketten in der „Bioeinstiegspreislage“ durchaus ein Anfang sein kann, sich ökologisch korrekt zu kleiden.

Für den Verbraucher ist das häufig äußerst verwirrend – denn inzwischen gibt es einen Dschungel von Siegeln, Standards und Zertifikaten, die alle verschiedene ökologische und faire Produktionsbedingungen versprechen. Klebt jedoch ein Siegel auf den Produkten, so wird das, was versprochen wird, auch eingehalten: Anders als im Lebensmittelbereich sei ihr noch kein Fall von Schummeleien bekannt, sagt Brodde.

In Modegeschäften, die nicht auf ökofaire Mode spezialisiert sind, werden die besonderen Eigenschaften der Kleidung oft sogar zurückhaltend präsentiert: Wer in einer Berliner Boutique über T-Shirts des Kölner Streetwear-Labels „Armed Angels“ stolpert, kann schnell übersehen, dass es sich um ein Produkt mit Ökobaumwolle und fairer Herstellung handelt. Hängt es doch zwischen lauter konventionell produzierten Stücken anderer Designer auf der Stange. Erst auf den zweiten Blick fällt das eingenähte „TransFair“-Schildchen ins Auge, das man vom Kaffee kennt und das klarmacht: Dieses Shirt ist nicht nur hübsch, sondern auch fernab von Sweatshops produziert.

Hedonistische Kunden

„Es ist keine Absicht, dass unsere Sachen in den Shops nicht auf Anhieb als öko und fair klar erkennbar sind. Die meisten Läden sind noch nicht darauf vorbereitet, grüne und faire Labels entsprechend zu präsentieren“, erklärt Anton Jurina, einer der Gründer von „Armed Angels“. Er sieht das pragmatisch: „Wenn ein rein hedonistisch veranlagter Kunde bei uns kauft, dann hat er ebenfalls etwas bewegt. Auch wenn er es gar nicht wusste.“

Doch ihr hoher ökologischer und sozialer Anspruch treibt eben auch den Preis in die Höhe: „Die Biobaumwolle ist nicht der einzige große Kostenfaktor. Teurer ist die faire Produktion. Insgesamt betragen unsere Herstellungskosten das Dreifache im Vergleich zu einer konventionellen Produktion“, sagt Jurina. Und das macht die Waren auch für die Endkunden teuer: Knapp vierzig Euro kostet ein bedrucktes T-Shirt in der Boutique. Dennoch steigert das Label laut Jurina seinen Umsatz derzeit monatlich um zehn Prozent.

Reich werden sie davon nicht: Die Löhne, die er sich und seinen neun Kollegen auszahlt, seien niedrig, sagt Jurina. Auch „Studio Jux“ lebt derzeit noch vom Idealismus seiner Macherinnen: Sie sei sicher, sagt Carlien Helmink, dass sie und ihre Designerin künftig allein von ihrer Mode leben können. „Die Kleinen kämpfen jeden Tag“, sagt Grüne-Mode-Expertin Brodde. Geringe Stückzahlen, kleine Werbebudgets und der Kampf um Aufmerksamkeit machten ihnen zu schaffen. „Ihre große Leistung ist, dass sie dabeibleiben.“

Einige von ihnen werden in der nächsten Woche auf der Berliner key.to-Messe für grüne Mode ausloten, wie es für sie weitergehen kann. Sie werden sich austauschen über Lohas und über die Zukunftschancen ihrer Marktnische. Und natürlich über Kooperationen – für eine stylische und korrekte Zukunft.