Gefühlter Abstieg

Eintracht Frankfurt gewinnt in Kaiserslautern mit 2:1 und bleibt auf dem Boden. In der Pfalz reift hingegen die Einsicht, dass man mit dieser Mannschaft die Klasse definitiv nicht wird halten können

AUS LAUTERN TOBIAS SCHÄCHTER

Markus Weissenberger ist keiner, der sich von euphorischen Gefühlen überrumpeln lässt, auch wenn der Mittelfeldspieler von Eintracht Frankfurt derzeit durchaus Anlass dazu hätte. Beim Blick auf die aktuelle Bundesliga-Tabelle zum Beispiel: Denn durch den 2:1-Sieg im Nachholspiel beim 1. FC Kaiserslautern besitzt der Traditionsklub aus Hessen nun bereits 21 Punkte. Nur noch vier Zähler sind es bis zu Platz fünf, der immerhin zur Teilnahme am Uefa-Cup berechtigt. Von einen Abstiegsplatz ist die Eintracht gar schon stolze neun Punkte entfernt.

Das Zahlenwerk beschert dem Aufsteiger also eine ruhige Winterpause. Doch wo früher bei einer solchen Ausgangslage die Erwartungen so steil in den Himmel geschossen wären wie die Hochhäuser der Bankenmetropole, führen nun geerdete Mahner wie Weissenberger das Wort. Er sei schon einmal mit dem TSV 1860 München abgestiegen, obwohl man damals zum gleichen Zeitpunkt genauso viele Punkte gehabt habe wie die Eintracht jetzt, erinnert sich der Österreicher. Kurz vor der Pause für den verletzten Alexander Meier eingewechselt, hatte er die Frankfurter in der 50. Minute in Führung gebracht. „Ein schönes Gefühl“, sagte der 30-Jährige nur – und stellte dabei ehrliche Freude zur Schau, aber nicht den leisesten Hauch an Überheblichkeit.

Diese neue Bescheidenheit ist ganz im Sinne von Friedhelm Funkel. Eine Momentaufnahme, so der Eintracht-Trainer, sei dies alles, in Wirklichkeit habe man noch gar nichts erreicht. Auf die forsche Frage, ob nun das Saisonziel, das da Klassenerhalt heißt, neu überdacht werden müsse, beschied Funkel: „Unsere Ziele zu revidieren, wäre absoluter Schwachsinn.“ Bei der Eintracht, die sich nach traditionellem Selbstverständnis auf einer Stufe mit Real Madrid sieht, bleiben am Ende des so erfolgreichen Jahres 2005 alle auf dem Boden.

Dort befinden sie sich auch in Kaiserslautern, allerdings nicht auf, sondern am – und zwar ziemlich zerstört. Die neuerliche Heimpleite kam für die Fans der Pfälzer einem gefühlten Abstieg gleich. Nur acht Minuten nach Weissenbergers Führung traf Copado zum 2:0 – und jeder im Stadion wusste: Das war’s. Selbst der Anschlusstreffer von Seitz (85.) war einem Fehler von Eintracht-Torhüter Nikolov geschuldet und nicht etwa einem zwingenden Aufbäumen der Lauterer. Fazit: In der Pfalz glaubt an diese Mannschaft keiner mehr. Um Hoffnung zu vermitteln, fehlt diesem in allen Bereichen limitierten Ensemble die Qualität. So war es ein bitteres Armutszeugnis, das FCK-Trainer Wolfgang Wolf seiner Elf nach dem Spiel ausstellte: „Die Mannschaft hat alles gezeigt, was im Moment drin ist.“

Immerhin: Die Erkenntnis, dass mit diesem Personal der Klassenerhalt nicht zu erreichen ist, hat sich mittlerweile durchgesetzt. Glaubt man den Worten von Rene C. Jäggi, der noch immer Vorstandsvorsitzender des FCK ist, wird der FCK nach der Winterpause ein „ganz neues personelles Gesicht“ haben. Mindestens drei, vier neue Spieler sollen kommen. Doch das Budget ist begrenzt. Die von einer Sportgazette kolportierten vier Millionen Euro stehen laut Jäggi jedenfalls nicht zur Verfügung.

Um den finanziellen Spielraum zu vergrößern, will man sich nun auch von Spielern mit laufenden Verträgen trennen. Ob es aber für mögliche Kandidaten wie etwa Carsten Jancker überhaupt Interessenten gibt, ist ebenso zweifelhaft wie eine andere Frage, die Olaf Marschall formulierte: „Wir stehen hinten, wer will da zu uns kommen?“ Der gewiss nicht an Profilneurose leidende FCK-Manager stellte zudem fest: „Der Markt ist leer.“

Marschall, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, kann nun beweisen, dass mehr in ihm steckt, als nur ein guter Mittelstürmer gewesen zu sein. Der Pfälzer Wolf, quasi per Geburt anerkannter FCK-Trainer, vermochte bislang keine Aufbruchstimmung zu verbreiten. Bei seinem Heimdebüt setzte es im dritten Spiel als Nachfolger von Michael Henke die dritte Niederlage. Dennoch empfiehlt Wolf als Hoffnungsspender einen Blick auf die Tabelle. Dort ist der FCK zwar mit deprimierenden neun Punkten Letzter, doch der Abstand auf den rettenden 15. Tabellenplatz beträgt tatsächlich nur ganze vier Zähler.