Neumanns Liste

Der neue Kulturstaatsminister schwört den Bundestagsausschuss Kultur und Medien auf die ganz große Koalition ein

Was hatte man nicht alles über Bernd Neumann lesen müssen! Der neue Kulturstaatsminister von der CDU sei ein nimmermüder Akkordeonspieler und gewiefter Apparatschik, also das komplette Gegenmodell zu seinen bisherigen Amtsvorgängern: eben kein kosmopolitischer Bohemian wie Michael Naumann, kein philosophischer Feingeist wie Julian Nida-Rümelin, keine wuselige Quereinsteigerin wie Christina Weiss.

Als Neumann sich am Mittwoch erstmals in seiner neuen Funktion im Bundestagsausschuss Kultur und Medien vorstellte, zählten all diese Vorbehalte freilich nichts mehr. Hier traf „der liebe Bernd“, wie er vom Ausschussvorsitzenden Hans-Joachim Otto (FDP) permanent angekumpelt wurde, auf alte Weggefährten in der parlamentarischen Arbeit. So mochte man ihm seinen Einstand denn auch nicht vermiesen und hielt sich mit vorauseilender Kritik oder überhöhten Erwartungen vornehm zurück.

Neumann wird diese demonstrative Harmonieveranstaltung sehr entgegengekommen sein, strebt er doch erklärtermaßen „eine All-Parteien-Koalition für die Belange der Kultur“ an. Seine Arbeit möchte er bereits daran messen lassen, ob der Kulturetat bei den anstehenden Haushaltsberatungen „möglichst ungeschoren“ davonkomme. Dabei mache jedoch die Verflechtung der Finanzen, die von der Föderalismusreform zunächst unangetastet bleibt, ein konsensuales Vorgehen notwendig. „Die Abstimmung mit den Ländern ist das Wichtigste“, sagte Neumann, auch und gerade im Hinblick auf die Durchsetzung nationaler Interessen in Brüssel.

Konkret wurde der Bremer selten. Als Visionär der Kulturpolitik will er nicht gelten, eher als Anwalt, der zwischen unterschiedlichen Ansprüchen zu vermitteln weiß. Tatsächlich besteht über die Grundlinien seiner Politik, die er unter der wuchtigen Headline „100-Tages-Programm“ erörterte, weitgehend Einigkeit quer durch die Fraktionen. So will Neumann sich vordringlich für verbesserte Rahmenbedingungen der deutschen Filmwirtschaft einsetzen. Die „im Prinzip richtige“ Abschaffung der Abschreibungsmodelle durch Medienfonds hinterlasse ein Loch von circa 100 Millionen Euro. Nun seien neue Vorschläge gefragt, wie man private Kapitalgeber zu einem verstärkten Engagement bewegen könne.

Auch die Fusion der Kulturstiftungen sowie die Ratifizierung der Unesco-Konvention, die den Handel mit geraubten Kulturgütern unterbinden will, stehen ganz oben auf Neumanns Agenda. Des Weiteren werde die Gesetzesnovelle des Bundesjustizministeriums zum Schutz des geistigen Eigentums, die den Nachweis von Urheberrechtsverletzungen insbesondere im Internet erleichtern soll, auch seine Unterstützung finden. Alles andere wurde eher en passant abgehandelt: die Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz, die finanzielle Ausstattung der Künstlersozialkasse, die Fusion der Kulturstiftungen – wichtige Themen, gewiss, aber eben keine großen Bretter im Sinne Neumanns, der die pädagogische „Hinführung zur Kultur“ als vorrangigen Auftrag begreift. Ob diese Maßgabe auch veränderte Projektförderungskriterien nach sich zieht, blieb erst mal offen.

Der Rest war Lyrik. Wie schon seinen Amtsvorgängern musste man Neumann ein vollmundiges Bekenntnis zu Berlin nicht mühsam abpressen. So spiele die Hauptstadt eine herausragende Rolle bei der gesamtstaatlichen Repräsentation, etwa durch den „Schatz eines musealen Angebots, das europaweit seinesgleichen sucht“. Staatskunst auf Weltniveau, sozusagen. Da nickten selbst die Abgeordneten der Linkspartei andächtig.

JAN ENGELMANN