Prekär und entlassen

FALSCHE ARBEITSMARKTREFORM Spanien hat alles noch schlimmer gemacht und die höchste Arbeitslosigkeit in der EU

AUS MADRID REINER WANDLER

Spaniens Gewerkschaften haben lautstark vor der Arbeitsmarktreform gewarnt: Als „ungerecht, unnütz und wirkungslos“ bezeichneten sie das Gesetz vor einem Jahr, das Regierungschef Mariano Rajoy bis heute als Glanzstück seiner Reformen gilt.

Im ersten Jahr der Regierung Rajoy gingen knapp 900.000 Arbeitsplätze verloren. Seit der Arbeitsmarktreform wurden 33 Prozent mehr Verfahren zur Massenentlassung eingeleitet. 26 Prozent der Spanier – 6 Millionen Menschen – sind arbeitslos. Mehr als die Hälfte der jungen Spanier sind arbeitslos.

In Spanien gibt es keinen wirklichen Kündigungsschutz. Die größte Hürde für den Unternehmer ist die Abfindung, die das neue Gesetz senkt und die Bedingungen für Entlassungen lockert. Wirtschaftlich begründet kann ein Unternehmen dann entlassen, wenn es drei Quartale lang schlechtere Ergebnisse erzielt oder rote Zahlen befürchtet. Ist eine Entlassung wirtschaftlich begründet, sind 20 Tageslöhne pro gearbeitetem Jahr, bei einer Höchstsumme von 24 Monatsgehältern vorgeschrieben. Sollte sich vor Gericht herausstellen, dass eine Entlassung nicht gerechtfertigt war, werden 33 Tageslöhne pro gearbeitetem Jahr bei einer Höchstsumme von zwölf Monatslöhnen fällig. V

or der Reform waren es 45 Tage und maximal 42 Monate. 62 Prozent aller Entlassungen wurden in den vergangenen Jahren auf diese Art abgewickelt.

„Ist die Gefahr, entlassen zu werden, sehr gering, wird der Anreiz für Leistung genommen und es entsteht Widerstand gegen die Anpassung an neue Notwendigkeiten“, schrieb die Regierung in der Begründung für die Reform. Der „Vertrag zur Unterstützung des Unternehmers“ mit einer Probezeit von einem Jahr statt den üblichen drei Monaten, folgt dieser Logik ebenso, wie ein schlecht bezahlter, einjähriger Anlernvertrag für Menschen unter 30.

Es ist die 52. Mal, dass das Arbeitsmarktgesetz in den vergangenen 35 Jahren geändert wurde. „Alle Reformen förderten zeitlich begrenzte, prekäre Arbeitsverhältnisse in Zeiten des Wachstums und in Krisenzeiten haben sie die Zerstörung von Arbeitsplätzen nicht aufgehalten sondern angekurbelt“, heißt es in einer Studie der Gewerkschaft CCOO.

Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit sei das spanische Wirtschaftsmodell, das auf schnellen Gewinn in unproduktiven Bereichen wie der Bauwirtschaft gegründet ist, anstatt qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen.

Dabei hätte es Alternativen zur Arbeitsmarktreform gegeben. Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten eine „Regelung zur internen Flexibilisierung“ ausgehandelt.

Sie orientierte sich an der deutschen Kurzarbeit. In Krisenzeiten sollten Unternehmensleitung, Gewerkschaften und Betriebsrat Arbeitszeitverkürzungen, Umverteilung der Arbeit sowie zeitlich begrenzte Arbeitslosigkeit vereinbaren können.

Die Verhandlungspartner versprachen sich davon einen stabileren Arbeitsmarkt, der qualifizierte Arbeitnehmer auch in der Krise an ein Unternehmen bindet. Die Regierung Rajoy ignorierte die Ideen.