Föderale Euphorie am Verglimmen

Ministerpräsidenten und Bundestagsabgeordnete nehmen sich des Riesenprojekts Föderalismusreform an – undrümpfen die Nase. Das Verdikt: Es muss sein. Aber der Entwurf ist lückenhaft, der Jubel begrenzt, der Zeitplan nicht zu halten

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Am Schluss hatten sich zwei Ministerpräsidenten von der Waterkant noch mal stark gemacht. Nein, der Föderalismus-Kompromiss ist nicht in Ordnung, moserten Peter-Harry Carstensen (CDU, Schleswig-Holstein) und Harald Ringstorff (SPD, Mecklenburg-Vorpommern). Finanzschwache Länder könnten dem föderalen Wettbewerb weder bei der Besoldung ihrer Beamten noch der Bildung mithalten. Vergeblich. Im Protokoll vermerkten sie schließlich ihre Bedenken – und stimmten mit den anderen 14 Ministerpräsidenten der Neuordnung des Bundesstaats zu.

„Wir haben den letzten Brocken auf diesem Weg weggeräumt“, jubelte der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Jürgen Rüttgers (CDU), als am späten Mittwochabend die Landesfürsten ihr Plazet gegeben hatten. Die Maßnahme soll die Länder in ihren autonomen Kompetenzen stärken – und dafür ihre Vetorecht im Bundesrat abschwächen. Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres war die „Mutter aller Reformen“ (Stoiber) noch am Streit über die Bildungspolitik gescheitert.

Bis zum Sommer kommenden Jahres soll die Reform beschlossen werden. Das dürfte nicht einfach werden, und das liegt nicht allein an den Zweidrittelmehrheiten, die dafür in Bundesrat und Bundestag organisiert werden müssen. Die Fraktionschefs von SPD und Union wollten das Projekt durchziehen, heißt es. Viele Abgeordnete aber wissen und sagen: „Der Zeitplan ist nicht zu halten. Dafür sind die föderalen Beziehungen zu komplex und der bisherige Entwurf zu lückenhaft.“

Stress zeichnet sich erneut bei der Bildung ab. Die Kompetenzen für Schulen und Hochschulen sollen nach der Verfassungsänderung komplett bei den Ländern liegen. Das bisherige Abstimmungsgremium, die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) würde entfallen. Dagegen gibt es bei der Opposition Widerspruch – und bei der SPD. Die Forschungsförderung etwa, ein Bereich, in dem derzeit rund 6 Milliarden Euro von der BLK verwaltet werden, müsse weiter administriert werden. „Wir brauchen ein Verfahren, das eine Grundlage in der Verfassung hat“, sagte der Berichterstatter der SPD, Thomas Oppermann. Was die BLK bisher gemacht habe, „muss jemand machen, und es müssen Bund und Länder gemeinsam machen“, meinte Oppermann. Die Finanzen aller großen Forschungsorganisationen von DFG bis Max-Planck-Gesellschaft werden über die BLK abgewickelt.

Schwierigkeiten zeichnen sich auch bei dem zweiten, noch gar nicht verhandelten Teil der Föderalismusgespräche ab – den Steuer- und Finanzfragen. Die FDP etwa macht ihre Zustimmung für die quasi besiegelte Reform von einer zweiten abhängig. „Voraussetzung für die FDP ist daher, dass noch vor der Verabschiedung der ersten Reformstufe festgelegt wird, in welchem Verfahren, nach welchem Zeitplan und mit welchem Ziel die Reform der Finanzverfassung geplant wird“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Ernst Burgbacher.

Wegen der Änderung des Grundgesetzes ist auch die Zustimmung der FDP in den Ländern erforderlich. Union und SPD haben aber im Bundesrat nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Vielleicht kommen die Bedenken der beiden Nordlichter Carstensen und Ringstorff ja noch zur Sprache.