Hose runter

Früher hat Joachim Deutschland die Hosen runtergelassen. Buchstäblich. Mittlerweile macht er das nur noch in seiner Musik. Überhaupt hat sich Deutschland, der eigentlich Christof Johannes Joachim Faber heißt, ziemlich verändert, seit er vor genau zehn Jahren von der Vorausscheidung zum Schlager-Grand-Prix ausgeschlossen wurde, weil er schon bei der Pressepräsentation meinte, sein Hinterteil entblößen zu müssen. Nicht mehr. Nun ist er, wie der Titel seines neuen Albums verspricht, „Der neue Deutschland“.

Tatsächlich ist aus dem damals auf Provokation gebürsteten Rockrüpel mit kurz rasierten Haaren ein vierfacher Familienvater mit Dreadlocks bis zum Arsch geworden, der nur noch gelegentlich die drastischen Worte wählt, ansonsten aber seinem neuen Leben ein Denkmal setzt und versucht, sein altes zu verarbeiten, das ihn nach einem ersten kleinen Hit namens „Marie“ bis zum Tiefpunkt in die Psychiatrie geführt hatte, nachdem er Bombendrohungen schreiend durch Berlin gelaufen war. „Endlich angekommen, alle Lasten hinter mir“, singt der neue Deutschland, „keine Gründe mehr um auszurasten, genug vom Rebellieren.“

Nur eins hat sich nicht verändert: Die Musik ist ganz die alte geblieben. Deutschland spielt keinen Reggae, sondern weiter soliden, recht spartanischen, von der Gitarre dominierten Rock, der mal balladesk, mal härter ist, aber immer wesentlich souveräner wirkt als seine Texte, in denen er zwar arg holprig, aber immer sehr ehrlich seine Verwandlung zu beschreiben versucht.

Diese Probleme hat Tim Neuhaus nicht. Erstens hat er sich nicht neu erfinden müssen. Und zweitens singt er eh auf Englisch. Im Vergleich zu Deutschland wirkt Neuhaus’ Vergangenheit schrecklich undramatisch: studiert hat er Schlagzeug, gearbeitet zuerst für die Blue Man Group, dann für Clueso, Konstantin Wecker, Max Prosa oder Gisbert zu Knyphausen.

Dass Neuhaus ein versierter Studiomusiker ist, hört man auch seinem Solo-Werk an. „Now“ spaziert entspannt pfeifend durch den Folk-Pop und ignoriert souverän dessen in den vergangenen Jahren durch Weird- oder Neo-Folk vorgenommenen Neuerungen. Statt schräger Geräusche und spinnerter Ideen gibt es eingängige Melodien und klassische Harmonien. Nichts wirklich Aufregendes, aber gute Songs und eine handwerklich hervorragende Umsetzung haben auch was für sich.

THOMAS WINKLER

■ Joachim Deutschland: „Der neue Deutschland“ (Mokoh Music/ Rough Trade), live am 5. 4. in der Junction Bar

■ Tim Neuhaus & The Cabinet: „Now“ (Grand Hotel Van Cleef/Indigo), live am 4. 4. im Postbahnhof