KURZKRITIK: HERRCHENS FRAUCHEN – JUBILÄUMSPROGRAMM
: Herzzerreißend realistisch

Der Abend in der Schwankhalle ist auch ein bunter Bilderbogen: Das Kabarett-Duo Herrchens Frauchen lässt zum 25-jährigen Bestehen musikalisch-plastisch ein Heer der Deformierten paradieren.

Da ist das Hausmütterchen, das 40 Jahre lang ihre Spüle gepflegt hat und nun, statt auf eine Biografie mit „Schwierigkeiten, Streit und Reiberei“ zurückzublicken, ihren Lebensabend mit einer „alten Spüle“ verbringt, „die noch glänzt wie neu“. Herzzerreißend auch Gunter Schmidts Solo des Altlinken, der im öffentlich-rechtlichen Rundfunk jene wegbeißt, die ihm den Posten streitig machen könnten – weil er ihn ja „für die Sache“ warm hält: Das hätte selbst Georg Kreisler nicht schöner gesungen.

Aber das Programm „War was?“ ist zugleich eine sarkastisch-herbe Zeit-Diagnose. Der Befund: Da war was. Und zwar hat sich schleichend eine allgemeine Militarisierung vollzogen, mithilfe einer komplett auf Gute Laune eingestilten Unterhaltungsindustrie. Unter deren Rhythmen avanciert Marschieren zur Fun-Sportart. Und effektiv verhindern sie – das führen Politt und Schmidt in einer sensationellen Choreografie à la MTV vor – alles störende Denken.

„War was?“ beginnt makaber: Die beiden präsentieren sich ratlos vor einem lukrativen Auftrag. Sie sind engagiert – als Begräbniskapelle für einen Gefallenen. Der muss sich – Zinksärge sind teuer, und es werden ja immer mehr – mit einer Urne begnügen, die, shocking!, im ersten Song als Rassel dient. Der Dialog ist ein Feuerwerk galliger Pointen. Doch das Lachen bleibt hier dünn: Möglich, dass der Grat zwischen Groteske und Realität schon schrecklich schmal ist.

BENNO SCHIRRMEISTER