gottschalk sagt
: Vom Oberkölner zum Oberkellner

Was soll‘s, nun schicke ich meine Texte eben nach Düsseldorf. Die E-Mail-Adresse ändert sich nicht einmal. Für die Redakteure und Redakteurinnen der taz nrw ändert sich schon was. Wir sollten uns nicht wundern, wenn das Thema „Pendlerpauschale“ plötzlich sehr wichtig genommen wird, ein Top-Thema, ein totaler Aufreger, gerade in NRW. Ich sehe bissige Kommentare („Pendler – Melkkuh der Nation!“) und einfühlsame Reportagen aus dem Regionalexpress auf uns zukommen („Pendler auf dem Abstellgleis?“).

Hier in Köln habe ich allein bei der Erwähnung unserer Nachbarstadt oft das Gefühl: Oje, das ist ja echter Hass. Gut, dass wir in Deutschland sind. Ein bisserl Destabilisierung und der Kölner würde ohne Frage in Düsseldorf einmarschieren. Ich würde dann ins zivilisierte Münsterland flüchten. Jetzt aber bereitet sich Köln auf Fußball-WM-Gäste aus Welt vor, und selbst lieb gewonnene Traditionen, wie die mangelnde Freundlichkeit des Personals im Brauhaussektor, werden in Frage gestellt.

Die Aufgabe des Köbes‘ ist es, die geringe Größe der hiesigen Biergläser durch flinkes und stetes Nachliefern auszugleichen. Die Folklore verlangt, dass er ein freches Mundwerk hat. Die Zeitung Express, zuständig für Mord, Sex und Identität, wählt deshalb ab und an „Kölns frechsten Köbes“, ein einmaliger Vorgang in der Dienstleistungsbranche. Oder können Sie sich vorstellen, dass „Bocholts bärbeißigster Wirt“, „Lingens lahmster Taxifahrer“ oder „Essens begriffsstutzigste Fleischfachverkäuferin“ auf ein positives Echo in den für sie zuständigen Heimatzeitungen hoffen dürften?

Es gibt übrigens auch nette Köbesse, auf Anfrage verrate ich auch wo. Doch gerade dort, wo in Köln Tourismus stattfindet, arbeitet der Köbes gerne an seiner Legende. Ich bin mir sicher, dass Köbessen in Kursen bei der IHK oder dem Fremdenverkehrsamt bislang beigebracht wurde, auf die Bestellung von Mineralwasser mit dem lustigen Bonmot „Mir sin hier nit im Mütterjenesungsheim“ zu antworten.

Und jetzt zur Weltmeisterschaft sollen sie plötzlich umdenken. Es gibt wirklich Kurse bei der IHK und zwar „spezielle WM-Benimm-Kurse für ‚Dienstleister mit Fremdkontakt‘“. Der Köbes soll „Service-WM-Botschafter“ sein, ausgerechnet er. In dem Kursus lernt er, Arabern nicht ungefragt Bier vor die Nase zu stellen, Asiaten nicht ständig auf die Schulter zu klopfen und beim Wasser servieren einfach mal die Klappe zu halten. Vom Oberkölner zum Oberkellner, wenn das mal gut geht.

Fotohinweis: CHRISTAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz nrw