Trennende Traditionen

DRINNEN & DRAUSSEN Manche haben haben einen eher negativen Blick aufs seit 181 Jahren ausgetragene Eiswett-Essen. Stört aber niemanden: Sie dürfen eh nicht mitmachen

Immerhin: Ein Eiswettgenosse blieb bei den frierenden DemonstrantInnen stehen und versicherte ihnen, „in der Sache“ durchaus ihrer Meinung zu sein

VON DRAUSSEN CHRISTIAN JAKOB

Am Rande des Stiftungsfests der Eiswette hat das Bremer Friedensforum am Samstag gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr protestiert. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war der diesjährige Ehrengast der Eiswettgesellschaft.

Rund 40 Demonstrierende verteilten vor dem Kongresszentrum auf der Bürgerweide einen Flyer an die eintreffenden über 700 „Eiswettgenossen“, die Gäste des Stiftungsfests. In diesem „offenen Brief“ an zu Guttenberg warf das Friedensforum dem Minister die Absicht vor, auf der Londoner Afghanistan-Konferenz am 28. Januar der von den USA geforderten Vergrößerung des Bundeswehr-Kontingents in Afghanistan zuzustimmen. „Das würde zu einer Eskalierung der kriegerischen Auseinandersetzungen beitragen“, hieß es in dem Schreiben weiter. „Eine Abzugsperspektive, von der auch viele CDU/CSU-Politiker schwadronieren“ sehe anders aus.

Seit über acht Jahren sei Deutschland am von den USA begonnenen Krieg in Afghanistan beteiligt. Dieser habe „über 300.000 Menschen das Leben gekostet“, die Zahl der toten Zivilisten steige von Jahr zu Jahr.

„Wie die Mehrheit der deutschen Bevölkerung und die der Freien Hansestadt Bremen fordern wir den schnellstmöglichen Abzug der Bundeswehrtruppen aus Afghanistan,“ schloss das Friedensforum. Zu Guttenberg solle „dem Druck der US-Regierung nicht nach geben“.

Immerhin: Ein Eiswettgenosse blieb bei den frierenden DemonstrantInnen stehen. Er versicherte ihnen, „in der Sache“ durchaus ihrer Meinung zu sein. Der Unmut gegenüber der Eiswettgesellschaft sei jedoch nur teilweise berechtigt: Diese hätte nämlich zu Guttenberg eingeladen, als der Verteidigungsminister noch Franz Josef Jung hieß und von der CDU kam. Der CSU-Politiker zu Guttenberg war da gerade ins Amt des Wirtschaftsministers berufen worden.

Tatsächlich hatte das Friedensforum Befremden darüber geäußert, dass innerhalb kurzer Zeit nach zu Guttenbergs Vorgängern Peter Struck und Rudolf Scharping (beide SPD) nun schon zum zweiten Mal binnen weniger Jahre ein Verteidigungsminister die „Rede auf Deutschland und Bremen“ halten durfte. Die Rede ist der traditionelle Höhepunkt des Stiftungsfestes.

Bei seiner Rede kritisierte zu Guttenberg mangelnde „Rechtssicherheit“ für die deutschen Soldaten. Für ihn sei „unverständlich“, dass diese nach Waffeneinsätzen zu befürchten hätten, strafrechtlich verfolgt zu werden.

VON DRINNEN KLAUS WOLSCHNER

Dem Präsidenten der Eiswette, Peter Braun, ist auf der diesjährigen Eiswett-Feier am Samstag im Kongress-Hotel ein hochnotpeinlicher Fehler unterlaufen: Er hat vor dem Bratengang zum „Helau“ angestoßen. Das gehört sich nicht nach den 181 Jahre alten ungeschriebenen Sitten und Braun entschuldigte sich vor den 700 Gästen und gelobte Besserung.

Mit der Wette der jungen Männer, die sich zum Kartenspielen, Kegeln und Trinken und im Herbst 1828 die erste „Eiswette“ mit dem Einsatz „Brauner Kohl und Zubehör“ verabredeten, hat die Feier aber nur noch wenig zu tun. Nicht junge Burschen treffen sich heute, sondern eher die honorigen Männer der betuchten Bremer Gesellschaft. Da darf nichts fehlen, was Rang und Geld hat, jeder Teilnehmer bekommt ein Heft mit 50 Seiten voller „Vips“. Das Sagen bei den Eiswettgenossen hat allerdings der alte Bremer Kaufleute-„Adel“, nicht die heimatlosen Manager, die heute hier in Bremen, morgen anderswo ihrem Job nachgehen.

„Meine Herren“, an diese Anrede muss man sich erst einmal gewöhnen, Damen sind nicht zugelassen in dem vornehmen Kreise, und der SPD sei dank hat es in Bremen bisher auch noch nie eine erste Bürgermeisterin gegeben. Dafür müsste ein Tabu gebrochen werden. Neben dem Bürgermeister waren vier, fünf Männer mit SPD-Parteibuch unter den 700 Gästen, eine Wahl würde die SPD in dieser Runde nicht über die fünf Prozent bringen.

Umso freier ist man allerdings, die Unzufriedenheit über die Berliner Koalition in Scherzen und launigen Reden deutlich zu machen. „Stopp Strauß“, habe es einmal bei der Eiswette geheißen, erinnerte sich der Notarius publicus Jan Zimmermann. „Aber ‚Stopp Merkel‘?“ – das klinge irgendwie nicht, und vor allem: Was wolle man denn da stoppen?

Peter Braun, der Präsident, steuerte das Bonmot bei, die Aufgabe der Politik sei es, das Geld der Reichen und die Stimmen der Armen voreinander zu schützen. Rückbesinnung auf Werte, auf „Bescheidenheit“ und „Demut“ seien angesagt, ja auf „Verzicht“, dieses Wort müsse „in unserer Gesellschaft eine Renaissance erleben“. Dann definierte er „soziale Marktwirtschaft“, betonte dabei aber auffallend oft den Wert der „Freiheit“ und es war nicht recht erkennbar, wo das Wörtchen „sozial“ abgeblieben war.

Für die „Deutschlandrede“ war Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eingeladen worden, der als Verteidigungsminister kam.

In der Politik sollten nicht Eitelkeiten bedient werden, erklärte der, nicht die „Wirkungen in der Öffentlichkeit“ seien das Entscheidende, sondern „Ergebnisse“. Wie erwartet versuchte er das am Beispiel Afghanistan zu erklären. Aber da verließ ihn sichtlich der Mut: „Krieg oder kriegsähnlicher Zustand“ sei das, was man da vorfinde, erklärte er.

Eine „Ausstiegsperspektive“ müsse sein, aber kein Datum, denn das nütze nur der anderen Seite. Am Ende könne niemand eine „Demokratie nach westlichen Maßstäben“ erwarten.